Der mieseste Liebhaber der Welt
Vorspiel
2010, Studio Hamburg
Tags Exfrau, Frauenflüsterer, Künstlername, Ratgeber, Talkshow
Soundtrack Falling down a Mountain / Tindersticks
Film Avatar / James Cameron
Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe.
Arthur Schopenhauer
Ich hätte jetzt die Wahl, Sie gleich mit meinem ersten Satz zu langweilen oder anzulügen. Variante eins klänge so: »Guten
Tag, mein Name lautet Markus P. Stiltfang, und ich bin sehr froh, heute bei Ihnen sein zu dürfen.« Na, was denken Sie? Komischer Name, Stiltfang. Hört sich
an wie was, wofür der Klempner zuständig ist. Jedenfalls nicht gerade lebendig, kompetent oder kreativ. Oder was immer man
mit einem Mann verbindet, der
Ratgeber
schreibt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Würden Sie gern von jemandem belehrt werden, der auf den Namen
Stiltfang
hört? Geht mir genauso. Ich habe ja bei
Dale Carnegie
schon so meine Probleme. Klingt doch, als hätte der Mann eine Boxhalle betrieben. Nicht sehr subtil jedenfalls. (Aber bei
ihm hat’s ja trotzdem ganz gut funktioniert.)
Sie sehen schon, ich habe mich mit diesem Namens-Dings beschäftigt. Lange, sehr lange. Und meinen Lektor habe ich damit bis
an den Rand der geistigen Zerrüttung geführt. Als mir vor zwölf Jahren angeboten wurde, ein Buch zu schreiben,haben wir nicht lange über Inhalte debattiert. Da waren wir uns schnell einig. Ich rotzte zu der Zeit gerade eine wöchentliche
Kolumne über
Frauen
(und wie man mit ihnen klarkommt) in einer Wochenzeitung runter, die sich nach außen progressiv gab, aber nach innen eine
harte F…-Wort-Quote vorgab. Drei grenzwertige Ausdrücke oder Bilder pro Kolumne waren erlaubt, wenn nicht sogar erwünscht.
Nur »Arschficken« war ausdrücklich verboten. (Es existiert sogar ein Mailverkehr zwischen dem Chefredakteur des Blattes und
der greisen Verlegerin, in dem sie aus gegebenem Anlass deutlich zum Ausdruck brachte, dass dieser Begriff in keinem ihrer
Blätter jemals wieder auftauchen dürfe. »Analsex« war meines Wissens aber erlaubt.)
Aber ich schweife ab: das Buch. Mein Briefing lautete: »Schreiben Sie was darüber, warum Männer und Frauen nicht zusammenpassen,
aber mit einer positiven Wendung, verstehen Sie, eher so
konstruktiv
.« Das entspricht zwar in etwa dem Auftrag, über Tschernobyl zu schreiben und dabei möglichst die positiven Begleiterscheinungen
für die Bevölkerung in der Ukraine nicht aus den Augen zu verlieren. Andererseits passt so eine Ansage doch recht gut zum
Beziehungsdschungel da draußen: Mit Logik haben doch auch die meisten »Liebespaare« (und jene, die auf der Suche nach der
großen Liebe sind) wenig am Hut. Ich nahm das Angebot an. Der Titel des Buches lautete: ›Männer und Frauen passen (wirklich)
nicht zusammen!‹ Untertitel: ›Aber sie haben keine andere Wahl.‹ Nicht sehr originell, das ist klar, aber mein Verlag sucht
seine Leser in der Regel nicht unter Universitätsabsolventen. »Schreiben Sie klar und eindeutig!«, lautete der Wunsch meines
Lektors. »Und wiederholen Sie die Kernaussage Ihres Textes mindestens drei Mal.« Wie gut, dass das mit dem Titel schon EIN
MAL erledigt war. Wie gesagt, über Inhalte wurde nicht lange gestritten. Ich handelte einen hohen Vorschuss aus und akzeptierte
im Gegenzug,dass mein Lektor mir 32 Kapitelüberschriften in einer Excel-Liste schickte. Mindestens 25 Kapitel davon sollte ich bearbeiten, vielen Dank, Abgabe in sechs Monaten.
Es gab da nur noch ein Problem. Es tauchte erst in der allerletzten Mail vor der Vertragsunterzeichnung auf. Eine Petitesse
für meinen neuen Verlag. Business halt. Ob ich mir vorstellen könne, unter einem Pseudonym zu schreiben, fragte mein Lektor,
ich solle mir mal ein paar Gedanken darüber machen. Hatte ich bis dahin noch nicht. Ich ging davon aus, der Verlag habe mich
für den Job ausgewählt, weil ich mit der Wochenendkolumne einigermaßen erfolgreich war und man auf diese Weise gleich ein
paar meiner Stammleser einkassieren wollte. Allerdings stand auch über der Kolumne in der Zeitung nicht etwa »Markus P. Stiltfangs Ideen über die wunderbare Welt des Beischlafs«, sondern schlicht: »The Diary of a Date Doctor«, ohne Autorenzeile.
Wer es wissen wollte, konnte ja im Impressum nachlesen, wer der Autor der beliebten, oder sagen wir:
polarisierenden
Kolumne war. Moi. Das reichte mir.
Dass mein erstes Buch allerdings unter
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