310 - Auf gewagtem Kurs
und spähte hervor.
Die noch junge Frau stand keine zehn Meter entfernt. Ihre blonden Haare wehten im Wind. Sie schien auf etwas zu warten. Auf ihn?
Was nun? Auf der Suche nach einem besseren Versteck fiel sein Blick auf ein Haus, das noch drei Seitenwände besaß. Das Dach war zum größten Teil eingestürzt. Dort gab es genug Trümmer, zwischen denen er sich verbergen konnte. Er atmete tief durch und wollte hinüber huschen – als ihn eine helle, klare Stimme erreichte.
»Willst du nicht endlich da rauskommen? Ich warte schon eine ganze Weile auf dich.«
Matt erstarrte. War das ein Trick? Die Kriegerin hatte nicht aggressiv geklungen. Und wenn sie wusste, dass er hier war, hätte sie ihm auch genauso gut auflauern und mit einem schnellen Schwertstreich erledigen können.
Er riskierte erneut einen Blick: Sie stand noch immer dort, das Schwert weiter in der Rückenkralle. Aber das war es nicht, was ihn am meisten verblüffte.
Bei ihr war der weiße Lupa, der Wulf so ähnlich sah!
***
»Na los! Vorwärts!« Ungeduldig sah Prankoz zu, wie die Barbaren die beiden Feldkanonen heranzerrten. Im Lager der Schwertweiber erklangen Hörner. Sie wussten, dass sie kamen.
»In der Formation bleiben!«, herrschte Prankoz die fünf Männer mit den Steinschlossgewehren an. Hinter ihnen marschierten an die dreißig Kämpfer, die Äxte, Schwerter und Blasrohre bei sich trugen.
Noch einmal prüfte Prankoz ihre Position, dann drehte er sich im Laufen zu seinen Leuten um, von denen nur acht Lokiraa-Krieger waren. Hätte er sie nicht gekannt, wären sie für ihn dennoch leicht auszumachen gewesen, denn sie alle trugen die typischen, durch Genmanipulation entstandenen Wucherungen der Nordmänner. Gotteszeichen, so nannten sie es.
Der Rest der Nordmänner verschanzte sich im Turm der Festung, um den Rückzug aus überlegener Position zu decken. Die Barbaren aus Euree wirkten grimmig und entschlossen. Einige hatten Rauschstoffe zu sich genommen, die sie besonders aggressiv machten und sie alle Schmerzen vergessen ließen. Prankoz hatte ihnen nicht nur die Hälfte der überwältigten Schwertweiber in Aussicht gestellt, sondern ihnen darüber hinaus die Karavelle versprochen, von der sein Späher ihm berichtet hatte. Er selbst besaß genug Schiffe und würde sich mit den beiden Einmastern zufriedengeben.
Er hob einen Feldstecher an seine Augen – eines der wertvollen Dinge aus den geheimen Kellerbeständen der Festung. Durch die beiden Röhren sah er die Kriegerinnen, die sich am Lager sammelten, ganz nah. Bald schon würden sie in Schussreichweite der beiden Kanonen sein. Sollten sie Steinkugeln fressen, bis sie aufgaben und er sie unterwerfen konnte. Seine Kugeln sprangen über den Boden, wie flache Steine über Wasser hüpften. Mit etwas Glück erreichte die ein oder andere sogar die vordersten Zelte, wenn ihr Vormarsch nicht aufgehalten wurde.
Er atmete tief die kühle Morgenluft ein und betrachtete den Streifen aus Rosa, Gelb und Grau, der über dem Land heraufzog. Es war ein guter Tag, um im Namen Lokiraas einen Dämon zu töten und die verdammten Schwertweiber auszulöschen.
In der Ferne hörte er das Meer. Salziger Wind streifte über das Feld vor ihm. Während er darauf wartete, den ersten Schussbefehl geben zu können, dachte er an Zlatkuk. Der Tag, an dem der Erste Kriegsmeister geflohen war, gehörte zu den schönsten seines Lebens. Immer schon hatte er Erster Kriegsmeister sein wollen. Nun konnte er selbst Entscheidungen treffen und die Geschicke der Nordmänner in die eigenen Hände nehmen. Unter ihm würde der Kult erstarken. Die Göttin sollte schon bald ihr erstes Blutopfer empfangen: kein Geringeres als den Dämon, aus dessen Körper Dampf aufstieg, wenn man ihn verletzte.
Ein weiterer Blick durch den Feldstecher zeigte ihm, dass die Frauen losstürmten. Den fetten Kerl, als der sich der Dämon tarnte, entdeckte er nicht. Aber er war überzeugt davon, dass der Dämon seine Weiber nicht im Stich ließ. Er würde kommen. Und durch seine Hand sterben.
»Anhalten! Kanonen ausrichten!« Er sah über die Reihen seiner Männer hinweg. Einige wirkten wie die Ruhe selbst, anderen sah er die Angst an.
»Noch nicht!«, brüllte er, als ein stumpfsinnig dreinblickender Barbar seine Fackel gefährlich nahe an die Lunte schwenkte.
Das Gebrüll der Schwertweiber klang über die Ebene. Prankoz nahm sich trotzdem die Zeit, die Position der beiden Kanonen leicht korrigieren zu lassen.
»Jetzt!«, schrie er mit wild
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