312 - Die dunkelste Stunde
verharrte er.
Stattdessen kroch die Hand langsam auf die volle Pillendose zu. Dexter packte den Behälter und schüttete sich sämtliche Tabletten in die Handfläche. Es würde schwer werden, sie alle hinunterzuwürgen. Aber er würde es schaffen. O ja, das würde er.
Am Fußende des Betts erschien sein toter Bruder Morgan und lächelte ihn an.
***
»Achtung! Auf Abstand gehen!«, rief Quart’ol. »Es kommt wieder eine!«
Hastig trennten die Hydriten die Geräte von den defekten Feldstabilisatoren, die das Wachstum der bionetischen Masse beschleunigen sollten.
Seit fünf Stunden arbeiteten sie mit Feuereifer daran, die Wunden zu schließen, die das Seesternmonster gerissen hatte. Da es bei so komplizierten Strukturen wie den Stabilisatoren aber nicht einfach damit getan war, die Lücken zuwuchern zu lassen, ging das nicht annähernd so schnell vonstatten, wie Matt gehofft hatte.
Und so bewahrheitete sich ungefähr einmal pro Stunde das, was die Hydriten angekündigt hatten: Der Zeitfeldprojektor entlud sich an dieser Stelle und würgte eine Zeitblase aus, wie Matt sie schon von früher kannte.
Glücklicherweise zeigten Quart’ols Messgeräte kurz vorher an, wann es so weit war. Bei den ersten Portalen hatten sie stets die gesamte innere Röhre evakuiert, weil sie nicht wussten, wie groß die Blase ausfiel. Inzwischen reagierten sie erheblich gelassener darauf und begaben sich nur in respektvollen Abstand.
Ein Gluckern wie aus einem Wasserrohr ertönte. Dann quoll aus der Lücke in den Stabilisatoren ein Riss in der Wirklichkeit. Er erinnerte an eine Seifenblase – eine sehr große Seifenblase. Zwei Meter im Durchmesser mindestens.
Während sie wuchs, schimmerte ihre Oberfläche in glitzernden Farben. Dahinter konnte man die Wand des Flächenräumers erkennen. Erst als sie sich mit einem leisen Ploppen löste, gab sie den Blick dorthin frei, wohin sie führte.
Oder sollte man besser sagen wannhin?
Der Monitor der Zielerfassung zeigte bis auf ein gelegentliches Flackern noch immer kein Bild, verriet also nichts über den Ort auf der anderen Seite der Blase. Doch nicht nur der Ort war ungewiss. Denn im Gegensatz zu den früheren Portalen, die stets in die Zeit ihrer Entstehung führten, hielten diese neuen sich offenbar an keine erkennbaren Regeln.
»Daran sind die defekten Stabilisatoren schuld«, hatte Gilam’esh erklärt.
In der frisch geborenen Blase, die nun träge von ihnen wegtrieb, erkannte Matt eine ordentlich gepflasterte, nächtliche Straße, die zwar auf Zivilisation hindeutete, sonst aber überall zwischen dem Römischen Reich und der Neuzeit liegen konnte.
»Das ist jetzt schon das vierte Portal«, sagte Matt. »Noch können wir den Dingern leicht ausweichen, aber je mehr hinzukommen, desto problematischer wird es. Wie lange dauert es denn noch, bis ihr die Stabilisatoren repariert habt?«
»Eine Stunde.« Gilam’esh schloss die Geräte wieder an.
Eine zufriedenstellende Antwort – wenn Matt nicht vor drei Stunden schon die gleiche erhalten hätte.
»Na super«, sagte auch Xij. »Warum bleiben die Dinger überhaupt stabil? Müssten sie nicht zusammenbrechen wie die vor ein paar Tagen?«
»Das war eine kontrollierte Entladung«, erwiderte Quart’ol, »bei der Takeo den Energiefluss gering halten konnte. Jetzt passiert das unkontrolliert... wie in Geburtskrämpfen.«
»Netter Vergleich. »Xij Hamlet schüttelte sich. »Kann Miki denn nicht wieder Geburtshelfer spielen?«
»Kann er nicht«, erklang Mikis Stimme vom anderen Ende des Ganges, »solange ihm die notwendigen Instrumente fehlen. Erst wenn die Schäden behoben sind, habe ich wieder die Kontrolle über die Stabilisatoren.«
Xij hob abwehrend die Hände. »Schon gut. Entschuldigung, dass ich gefragt habe.«
In diesem Augenblick nahm Matt eine Bewegung an der Wand wahr. Als er genauer hinsah, entdeckte er einen Fleischbrocken der Seesternkreatur, der zwischen dem bionetischen Material klebte.
Während die Hydriten mit der Reparatur beschäftigt waren, hatten Matt, Xij und Steintrieb die Überreste des Monstrums aufgesammelt und in eine hüfthohe Wanne geworfen, die sie in einem Vorratsraum entdeckt hatten.
Steintrieb war gerade dabei, die »Gulaschkanone«, wie Xij die Wanne in ihrer unnachahmlichen Art nannte, auf die andere Seite der inneren Röhre zu schieben, damit sie den Glibber nicht fortwährend in ihrer Nähe hatten.
Wie sie ihn letztlich entsorgen wollten, würden sie später entscheiden. Das stand auf ihrer
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