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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Ecke. Die Treppe war frei.
    Grao ging mit festem Schritt und herrischer Miene voraus. Es war kein Problem, in seinem Gefolge aus dem Palast zu entkommen: Die Gardisten, denen sie begegneten, wagten es nicht, sich »Hauptmann Melchior« und seinen vermummten Begleitern in den Weg zu stellen. Es gelang ihnen sogar, Zwischenstation in ihrem Quartier zu machen, damit Matt und Xij unter den Umhängen ihre normale Kleidung anlegen konnten.
    Auch auf den fast menschenleeren Straßen Sodoms sprach niemand sie an: Wer den Bruder des Königs erkannte, betrat schnell ein Gebäude oder bog in eine Gasse ab.
    Auf halbem Weg zum Stadttor ertönte hinter ihnen Hörnerschall. Matt ahnte, was passiert war: Der Kerkermeister war gefunden worden. Jemand hatte den echten Melchior alarmiert. Gleich würde er an der Spitze eines berittenen Kommandos durch die Straßen preschen...
    Unter diesen Umständen konnte es für Grao verhängnisvoll sein, mit Melchiors Gesicht herumzulaufen. Matt hielt inne und gab seine Theorie zum Besten.
    Xij fluchte. »Ohne jemanden, der wie Melchior aussieht, kommen wir nicht aus der Stadt.«
    Matt überlegte. »Wir brauchen Hilfe. Und da fällt mir nur einer ein, der uns noch etwas schuldig ist.«
    »Lot!«, rief Xij.
    »Richtig. Weißt du, wo er wohnt?«
    »Nein, aber er ist ein bekannter Mann.«
    Während sich Grao in einer Seitengasse wieder in Hermon verwandelte, sprach Xij einen herumlungernden Halbwüchsigen an. Natürlich kannte der Bursche Lot. Er wusste auch, wo er wohnte. »Was krieg ich, wenn ich euch hinbringe?«
    Matt hatte ihn im Nu am Wickel und knurrte überzeugend. »Wir lassen dich leben, Rotznase«, fauchte Xij. Die Zeit drängte; sie konnten sich von einem habgierigen Bengel nicht aufhalten lassen.
    »Schon gut, schon gut!« Der Junge zeige ihnen den Weg. Es ging durch sieben Gassen und drei Hinterhöfe, da auch ihr Führer offenbar Gründe hatte, der Ordnungsmacht aus dem Weg zu gehen. Als sie vor den verrammelten Fenstern von Lots Geschäft standen, gab Matt dem Burschen eine Kopfnuss und ließ ihn laufen. Die Dunkelheit verschluckte ihn.
    Auf ihr Klopfen wurde mit »Ja, ja, ich bin ja nicht taub!« geantwortet. Die dicke Bohlentür wurde aufgerissen und der Kaufmann Lot stand vor ihnen. »Meine Freunde!«, rief er freudig aus. »Wie schön, dass ihr mich besucht! Wenn auch zu später Stunde.« Er rief nach seiner Gattin und seinen Töchtern. »Macht Tee! Und bringt etwas zu essen herbei! Unsere Retter sind da!«
    Matt und seine Gefährten tauchten in den Laden ein. Er war voller Regale und Waren aller Art. Kerzen spendeten Licht.
    Als Grao die Tür schloss und verriegelte, machte Lot große Augen. »Will euch jemand Böses?«
    Um ihn über das, was in seiner Vaterstadt gerade an Intrigen ablief, ausführlich in Kenntnis zu setzen, fehlte Matt die Zeit und die Geduld. Also verkürzte er seinen Vortrag, den Xij übersetzte: »Hauptmann Melchior hat seinen Bruder getötet und will uns die Tat in die Schuhe schieben. Wir müssen fliehen. Wir wenden uns an dich, weil du der einzige Mensch in Sodom bist, von dessen Rechtschaffenheit wir überzeugt sind.« Dass diese Überzeugung einem Buch namens Bibel zu verdanken war, statt erst noch geschrieben würde, erwähnte er nicht.
    »Oh«, sagte Lot überrascht. »Das ehrt mich!«
    Matt brannte die Zeit unter den Nägeln. Wenn Melchiors Schergen erst die Ausgänge aus der Stadt blockiert hatten, schwanden ihre Chancen. »Als wir dich vor den Räubern gerettet haben, hast du gesagt, dass wir auf dich zählen könnten, wenn wir Hilfe benötigen.«
    »Oh, gewiss.« Lot nickte. »Ich bin vielleicht nicht immer ein ehrlicher Kaufmann, aber wenn ich etwas verspreche, halte ich es auch.« Seine Gattin und seine Töchter kamen herein. Sie brachten Tee und Gebäck.
    Jemand klopfte an. Die Frauen erschraken.
    Lot ging an die Tür und fragte, wer da klopfte, und eine bärbeißige Stimme rief: »Du hast Fremde zu Besuch, wir haben sie gesehen! Sie sollen uns ihr Gesicht zeigen, damit wir sehen, wer sie sind, denn es sind Fremde in der Stadt, die den König ermordet haben! Mach auf, Lot, damit wir sehen, dass deine Gäste nicht die sind, auf die Hauptmann Melchior hundert Goldmünzen Belohnung ausgesetzt hat!«
    »Scharfen Stahl könnt ihr kriegen«, fauchte Xij, die schon neben der Tür stand. »Aber zwischen die Rippen!«
    »Es sind meine Nachbarn«, sagte Lot. »Ich beruhige sie. Außerdem sind sie käuflich.«
    Er ging hinaus. Matt verstand keins seiner

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