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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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die Amphore. »Was ist da drin?«
    »Wein für den König«, entgegnete Xij. »Als Gastgeschenk.«
    »Dann viel Erfolg.« Er winkte sie alle drei durch. Man hatte wohl vergessen, ihm mitzuteilen, dass nur Xij zur Audienz geladen war. Matt und Grao nutzten die Gelegenheit und folgten Xij in einen Gang, von dem viele mit Echsen- und Dämonenfratzen verunzierte Türen abwichen. Hinter ihnen schloss sich die Pforte wieder.
    Der Gang war leer. Niemand erwartete sie.
    Sie blieben stehen und schauten sich um. Da sprang irgendwo seitlich eine Tür auf und spuckte Hauptmann Melchior aus.
    »Ah, Xij, mein...«, begann er und verstummte wieder, als er Matt und Grao ansichtig wurde. Seine Miene verzog sich unwillig. »Es ehrt euch, euren Kameraden begleiten zu wollen, aber nur er war dem König angekündigt.«
    »War?«, hakte Xij nach.
    »Ja...« Melchior breitete theatralisch die Arme aus. »Ich bin untröstlich, aber die Audienz findet nicht statt. Seiner Majestät geht es nicht gut.« Er deutete mit dem Zeigefinger vielsagend auf seine Stirn. Leiser fügte er hinzu: »Es ist euch sicher nicht verborgen geblieben, dass er sich hin und wieder ein wenig... wundersam benimmt.«
    Xij nickte vorsichtig. Worauf lief das alles hinaus?
    »Er hört neuerdings Stimmen«, fuhr Melchior fort. »Ich habe bereits nach seinem Leibheilkundigen geschickt.« Er deutete zur Flügeltür. »Genießt den Rest des Abends. Vielleicht vergnügt ihr euch im Lavendelparadies. Als Angehörige der Leibstandarte braucht ihr dort nichts zu bezahlen.«
    Xij übersetzte. Als sie sich umwandten, klang noch einmal Melchiors Stimme auf: »Den Wein könnt ihr mir geben. Ich überreiche ihn dem König in eurem Namen.«
    Xij händigte ihm die Amphore aus, dann marschierten sie zu dritt hinaus und wunderten sich, wieso Melchior nicht wenigstens versucht hatte, seinen »Lustknaben« bei sich zu behalten.
    ***
    Der Saal war völlig leer. Die Bühne auch. Nicht mal ein einsamer Mikrofonständer war zu sehen.
    Matt reckte den Hals. Er saß mutterseelenallein in der ersten Reihe, als Tom Petty, eine Rickenbacker-Gitarre unter dem einen, eine Gibson unter dem anderen Arm auf die Bühne kam. »Tut mir leid, Alter«, sagte er, »aber wir müssen das Konzert absagen.« Er grinste schief. »Die Heartbreakers sind auf dem Weg hierher in eine Zeitfalte geraten.«
    »Och, nööö«, sagte Matt. »Ihr seid doch mein Geburtstagsgeschenk!« Endloser Frust breitete sich in ihm aus. »Ich werde doch heute fünfzehn!«
    » Na schön.« Tom warf ihm die Gibson zu. »Dann spielen wir halt zusammen.« Er ließ das Intro von »The Last DJ« erklingen und sang: »You can’t make him into a company man – you can’t make him into a whore...«
    Matt wollte gerade die Gibson anschlagen, als sich Tom Petty veränderte wie ein daa’murischer Gestaltwandler. Plötzlich sah er aus wie Rottenführer Noel. Der Saal, Tom, die Klampfen, alles verschwand. Stahlharte Hände würgten Matts Hals. Eine Stimme brüllte Worte in einer Sprache, die er nicht verstand.
    Er brauchte einige Sekunden, um die Wirklichkeit vom Traum zu trennen. Diese Sekunden reichten den in seinem Quartier befindlichen Gardisten, ihn auf den Bauch zu drehen und zu fesseln.
    Matts Protest verhallte unverstanden. Irgendwo neben ihm – der Mond über dem Jordanland leuchtete durch kleine Fenster – fluchte Xij. Dass wenigstens sie Hebräisch sprach, beruhigte ihn ein wenig. Denn eines war klar: Wenn sie das Missverständnis nicht aufklärte, das Noel und die Gardisten zu ihrem Tun veranlasste, klärte es keiner auf.
    Harte Fäuste rissen Matt von der Matratze. Er wurde zum Ausgang gezerrt.
    Graos Bettstatt war leer. Wieso? War ihm die Flucht geglückt oder war er nicht im Zimmer gewesen?
    Zwei Männer trugen Xij vor Matt her. Da sie sich nicht zum Schweigen bringen ließ, versetzte ihr jemand einen Schlag. Ihr Kopf fiel schlaff zur Seite.
    Heiße Wut durchströmte Matt. Er hätte am liebsten um sich getreten, doch er riss sich zusammen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Was ging hier vor?
    Man schleifte sie durch spärlich beleuchtete Gänge, dann eine Treppe hinauf. Melchior kam ihnen entgegen. Noel machte Meldung. Melchior bellte Fragen, die Noel mit leiser Stimme und gesenktem Kopf beantwortete. Matt glaubte das Wort »Rao« zu hören. Ging es um Grao? Der Daa’mure schien also entkommen zu sein.
    Melchior bellte Befehle. Die Hälfte der Matt und Xij begleitenden Männer machte kehrt. Matt nahm an, dass sie nun den

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