Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
blutleeren Lippen.
    „Wie? Du weißt es nicht? So weiß ich es desto besser. Du selbst hast die Tat begangen, deren Schuld du auf deinen ehrlichen Nachbarn werfen wolltest!“
    „So ist es, ganz gewiß!“ stimmte Hu-tsin bei: „Und die Stimmen, welche ich vernahm, sind diejenigen der geraubten Götter gewesen, durch deren Macht die Missetäter hier zurückgehalten worden sind. Die Erde ist aufgegraben. Wenn der hochehrwürdige Tong-tschi hier nachgraben lassen wollte, so bin ich überzeugt, daß man die Verschwundenen finden wird.“
    „Wollen sehen! Bindet die Kerls los und grabt nach!“ befahl der Mandarin.
    Die Sänftenträger wurden von den Pfählen, nicht aber von ihren weiteren Fesseln befreit und zur Seite geschafft. Kaum hatte man dann die obere Bodenschicht entfernt, so kamen die beiden Götzenbilder zum Vorschein. Sie wurden aus der Grube genommen, sorgfältig abgewischt und dann aufgestellt.
    Fast hätten die Reisenden laut aufgelacht, als sie nun die Göttergestalten vor sich sahen. Es waren zwei sitzende, sehr wohlbeleibte hölzerne und mit Bronzefarbe angestrichene Puppen, welche sich in der heitersten Stimmung zu befinden schienen, denn sie lachten im ganzen Gesicht so, daß die kleinen mongolischen Schlitzaugen fast ganz verschwanden.
    „Dat ist drollig!“ meinte Gottfried von Bouillon. „Wenn alle Jötter von China so jemütliche olle Schwedens sind, so will ich es mich jern jefallen lassen. Sie scheinen ihr jutes Auskommen zu haben und sich sogar jetzt in die allerbeste Laune zu befinden. Wat meinen Sie dazu, Mijnheer?“
    „Wat ik zeg? Zij zijn ontzettend veel dik. Zij moeten zeer goed gegeten hebben – Was ich sage? Sie sind entsetzlich viel dick. Sie müssen sehr gut gegessen haben.“
    „Was meinen diese beiden Herren?“ fragte der Mandarin, welcher diese Bemerkung natürlich nicht verstanden hatte.
    „Sie wundern sich darüber, daß ein Mensch auf den schrecklichen Gedanken kommen kann, solche Götter aus ihrer Ruhe und Beschaulichkeit zu reißen“, antwortete Methusalem.
    „Es ist das größte Verderben, welches ein Mensch begehen kann. Bindet den Götterschänder! Seine Strafe wird der Tat angemessen sein!“
    Da warf sich Wing-kan vor ihm nieder und schrie voller Angst: „Gnade, Gnade, allerhöchster Herr! Ich bin unschuldig! Ich weiß nicht, wie diese Männer und diese Götter in meinen Garten gekommen sind!“
    „Du wärest verloren, selbst wenn du das wirklich nicht wüßtest, denn die Gottheiten sind auf deinem Grund und Boden gefunden worden. Aber niemand wird dir glauben. Du hast sie stehlen lassen!“
    „Nein, nein, sondern Hu-tsin hat es getan und sie hier eingraben lassen, um mich zu verderben.“
    Jetzt hielt der Methusalem es für angezeigt, nun auch seinerseits eine Bemerkung zu machen, weil der unschuldige Hu-tsin sonst doch noch in die Untersuchung verwickelt werden konnte. Er fragte den Juwelier: „Du kennst diese beiden gefesselten Männer nicht?“
    „Nein.“
    „Hast nie mit ihnen gesprochen?“
    „Niemals!“
    „Hast du heute dein Haus verlassen?“
    „Auch nicht.“
    „Das ist eine Lüge! Du warst drunten in Scha-mien und hast hinter dem Gasthaus des Portugiesen gestanden!“
    „Sie irren sich, edler Urahne!“
    „Ich irre mich nicht, denn ich stand in der Nähe hinter der Mauer und habe gehört, was du mit dem älteren dieser Männer sprachst. Sie haben die Götter in deinem Auftrag gestohlen, und das Geld, welches du ihnen dafür bezahlt hast, muß sich noch in ihren Taschen befinden. Der edle und mächtige Tong-tschi mag sie aussuchen lassen und wird sich überzeugen, daß ich die Wahrheit sage!“
    Da ergriff der Mandarin den Methusalem beim Arm, zog ihn zur Seite und fragte ihn leise: „Herr, haben Sie wirklich eine solche Unterredung belauscht?“
    „Ja“, flüsterte der Gefragte als Antwort.
    „Und Sie erkennen die beiden wieder?“
    „Genau. Ich kann beschwören, daß sie es sind.“
    „So wissen Sie, weshalb Wing-kan die Götter stehlen ließ? Um seinen Nachbar zu verderben?“
    „Ja.“
    „So hat er sie drüben vergraben, und sie sind dann ohne sein Wissen in seinen eigenen Garten versenkt worden. Das ist gut, denn dadurch ist ein Unschuldiger gerettet worden; aber diejenigen, welche die Gottheiten herübergebracht haben, sind verloren, wenn es so zur Sprache kommt. Ich bin ein freisinniger Kuan-fu und weiß, was ich von diesen Figuren zu halten habe; aber andre denken nicht so wie ich und die Gesetze sind blutig streng. Sie

Weitere Kostenlose Bücher