32 - Der Blaurote Methusalem
in der Nähe hielten.
„Habe keine Lust“, antwortete der Methusalem. „Bin so lange auf dem Schiff gewesen, daß ich mich ordentlich darauf freue, mir die Beine einmal vertreten zu können.“
„So fehlt es Ihnen an der standesbewußten Segelkunst. Was mich betrifft, so bin ich Generalmajor und laufe nicht.“
„Ganz wie Sie wollen, Sir. Lassen Sie sich also vorantragen! Wir folgen Ihnen zu Fuß und treffen Sie im Hotel.“
„Schön! Sie werden sich selbst die Schuld zuzuschreiben haben, wenn man Sie dann nicht mit der Hochachtung behandelt, welche uns gebührt.“
Der Methusalem antwortete nicht darauf. Er fragte einen der Kuli nach dem Hongkonghotel, und als er auf die in englischer Sprache ausgesprochene Erkundigung eine in derselben Sprache gegebene Auskunft erhalten hatte, schritten die drei mit dem Hund in der bisherigen Reihenfolge davon.
Dabei spielte um die Lippen des Studenten ein eigenartiges Lächeln. Er war vielleicht der Ansicht, daß er zu Fuß das Hotel wohl besser erreichen werde als der Kapitän in seiner Sänfte. Und daß er sich da nicht geirrt habe, sollte er schon nach wenigen Augenblicken erkennen.
Turnerstick war nämlich zu der Gruppe der Kulis getreten und hatte zu zweien derselben, welche die hübscheste Sänfte besaßen, gesagt: „Was kosting es, mich von hier bis zum Hotelung Hongkong zu tragen?“
Sie sahen ihn verwundert an, schüttelten die Köpfe, und einer antwortete: „Yes, Sir; You are in Hongkong.“
Er hatte nur das Wort Hongkong verstanden und war der Ansicht, Turnerstick wolle wissen, ob er sich in Hongkong befinde. Daß er ihn Sir nannte, war ein sicheres Zeichen, daß er ihn trotz der chinesischen Kleidung nicht für einen Sohn der Mitte hielt. Das erregte den Zorn des Kapitäns; er setzte den Klemmer auf sein Vorlukennäschen, warf dem Kuli durch denselben einen möglichst impertinenten Blick zu und sagte: „Ich muß mir ausbitting, daß ihr mit mir chinesisch sprechengt! Ich bin ein Mandaring der obersten Klassong und habe keine Lust, fremde Dialekting zu duldung! Also was habe ich von hier bis ins Hotel zu zahleng?“
„Hotel?“ fragte der Kuli, welcher jetzt dieses eine Wort verstanden hatte.
„Ja, Hotel Hongkong.“
„Ah, we shall to bear to Hongkong-Hotel?“
„Ja, dorthing will ich getrageng seiang. Wieviel habeng ich dafür zu bezahlong?“
Da er bei dem ‚Ja‘ zustimmend nickte, so wurde er verstanden. Bei seiner letzten Frage machte er die Pantomime des Geldzählens, welche in aller Herren Länder ganz dieselbe ist.
Darum wußte der Kuli, was er meinte, und antwortete: „Fifteen Fen or Candarins.“
„Fünfzehn Fen sind hundertfünfzig Li, also eine ganze Mark; das ist zu viel!“ brummte der Kapitän vor sich hin. Und laut setzte er hinzu: „So viel zu bezahhng kann mir nicht einfalleng. Ich bin chinesischer Mandaring und lasse mich von keinem Kuli überteuerong. Ihr sollt hundert Li bekommung, aber keinen Pfennig mehr!“
Er knüpfte eine der Schnüre auf, zählte hundert Li ab und gab sie dem einen der Kuli. Dieser zählte nach, schüttelte den Kopf und sagte: „Hundred-fifty Li, not hundred!“
„Ich gebe hundert; dabei hat's zu bleibing“, beharrte Turnerstick.
Der Kuli sah aus der Miene des Kapitäns, was dieser meinte, und entgegnete: „Sir, do you are a miser, a niggard, a churl?“
„Was, ich solling ein Geizhals seiung? Ein Knicker? Das ist stark! Das ist im höchsteng Grade beleidigingd! Gebt mir mein Geld zurück! Ich werde mich von andern trageng lassung!“
Er rief das so laut und zornig, daß die zahlreichen Zuschauer sich in Erwartung einer Szene näher herandrängten. Die beiden Kulis wechselten einige halblaute chinesische Sätze, musterten Turnerstick noch einmal, und zwar genauer als vorher, und wollten ihm dann Bescheid sagen. Er aber kam ihnen zuvor, indem er, um ihnen zu imponieren, seinen riesigen Fächer öffnete, und, auf die goldenen Zeichen deutend, sie anherrschte: „Solltet ihr mir nicht anseheng, wer ich eigentlich bing, so lest hier meine Visitingkartong! Turningsticking, kuongan ta-fu-tsiang! Ich bing Generalmajoring! Verstanding? Euch soll der Teufling holang, wenn ihr nicht pariereng wollt! Ihr tragt mich für hundert Li, sonst werde ich euch bei den Ohreng nehmang!“
Um dieser seiner Drohung Nachdruck zu geben, faßte er den Kuli beim Ohr und schüttelte ihn. Die Umstehenden ließen ein Gemurmel des Unwillens hören. Der Kuli aber beruhigte sie mit einigen chinesischen Worten,
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