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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dennoch hat man ganz außerordentliche Preise zu bezahlen.
    Hongkong heißt bei den Chinesen Hiang-Kiang und ist eine bergige Insel, welche rechts vor dem Eingang des Mündungsgolfes des Tschu-kiang liegt. Es besitzt einen der besten Häfen des chinesischen Reiches und kann als das englische Gibraltar des Ostens angesehen werden. Die Hauptstadt ist Viktoria. Sie ist fast ganz europäisch gebaut, hat breite Straßen, schöne große Häuser, großartige Warenspeicher und elegante Villen. Derjenige, welcher chinesisches Leben kennenlernen will, wird sich hier nicht verweilen, sondern die erste Gelegenheit benutzen, nach Kanton zu gehen, was ja auch die Absicht des ‚blauroten Methusalem‘ war.
    Als dieser mit seinen Begleitern das Hotel erreichte, hörten sie aus dem Innern die laute, zornige Stimme Turnersticks erschallen. Sie traten in die Restaurationsstube und sahen da den Kapitän, umgeben von dem Wirt, dessen in langen, blauen Gewändern steckenden Kellnern und mehreren Polizisten. Diese letzteren stammen meist aus Vorderindien, tragen dunkelblaue Uniformen und rote Turbane und sind mit kurzen Keulenstäben bewaffnet.
    Diese Leute hörten die Erzählung des Seemanns an, konnten aber nichts verstehen, da er nicht dazu zu bringen war, englisch zu sprechen. Er war nun einmal darauf versessen, sein Chinesisch hören zu lassen, und da keiner von ihnen deutsch verstand, so konnten sie sich unmöglich in den vorgebrachten Unsinn finden. Darum war er froh, als er die drei Ankömmlinge erblickte. Er stieß die ihm im Weg stehenden beiseite, eilte auf den Methusalem zu und sagte: „Es ist unerhört, wirklich unerhört! Erst zwingt man mich, in der wohlbezahlten Sänfte zu laufen, und dann, als ich mich darüber beschweren will, kann kein einziger dieser Eingeborenen chinesisch verstehen. Es ist geradezu zum Verzweifeln!“
    „Sie irren sich, Kapitän, wenn Sie diese Leute für Eingeborene halten“, belehrte ihn der Angeredete. „Sprechen Sie doch englisch, so wird man Sie verstehen.“
    „Englisch? Fällt mir gar nicht ein! Wenn ich mich in China befinde, so bediene ich mich der Sprache des himmlischen Reiches. Ich kann verlangen, daß man mich versteht, mich, einen Mandarin von achtzehnhundert Sapeken!“
    „Sie sind noch nicht in China, sondern in England, Hongkong ist englische Besitzung.“
    „Das weiß ich wohl; aber ich verlange, daß man auch hier sich meiner Sprachkenntnisse erfreue. Wissen Sie, was mir passiert ist?“
    „Ja.“
    „Nun, was?“
    „Es hat Ihnen beliebt, in einer Portechaise Dauerlauf zu üben.“
    „Beliebt? Wollen Sie mich auch noch foppen? Gezwungen hat man mich, hinterlistig gezwungen!“
    „Und Sie haben sich nicht gewehrt?“
    „Konnte ich mich etwa wehren?“
    „Warum nicht?“
    „Weil man mir den Kopf eingestoßen hätte, wenn ich nicht mitgelaufen wäre. Ich nahm vergnügt in der Sänfte Platz; da schwand der Boden unter mir, und ich geriet mit den Beinen in die Unterwelt. Das wäre noch gar nicht schlimm gewesen, denn der Boden konnte leicht wieder eingehakt werden; aber anstatt das zu tun, rannten die Kerls wie besessen von dannen, und mir blieb nichts andres übrig, als mitzurennen.“
    „Vielleicht haben die Leute gar nicht bemerkt, daß Sie aus dem obern Stockwerk ins Parterre geraten waren?“
    „Oho! Die haben es gar wohl gewußt. Ich wollte ja stehenbleiben; sie schoben aber aus Leibeskräften; ich bekam Stoß auf Stoß. Mein Kopf brummt mir noch jetzt wie eine Baßgeige; mein Rücken muß in allen Farben schillern, und in den Beinen habe ich eine Empfindung, als ob ich auf dem hohen Turmseil tanzte. Mir zittern alle achtundneunzig Glieder; es ist mir ganz schwindelig zumute, und der Schweiß marschiert mir in dicken Strömen und Kolonnen vom Leib. Soll ich mir das gefallen lassen?“
    „Sagen Sie mir vor allen Dingen, wo die beiden Kulis sind!“
    „Wo die sind? Ja, wo sind sie denn? Ich weiß es nicht.“
    „Aber gerade Sie müssen doch am besten wissen, wo sie sich befinden. Sie haben sich ja von ihnen tragen lassen.“
    „Tragen lassen! Tragen lassen! Welch eine Schlechtigkeit von Ihnen! Ich sage Ihnen ja, daß ich nicht getragen, sondern gelaufen worden bin! Ich danke für dieses chinesische Reich, wo man hundert Li bezahlen muß, um Sänfte rennen zu dürfen! Das ging so atemlos rasch, daß ich keine Zeit fand, einen rettenden Gedanken zu fassen. Ich weiß nur noch, daß ich gebrüllt habe wie ein Tiger; aber geholfen hat es nichts, denn die Kerls

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