32 - Der Blaurote Methusalem
das Geisterschreiben bei den Chinesen, ähnlich wie bei uns der Unsinn der Tischrückens oder des Spiritismus.“
„Geisterschreiben? Das muß ich sehen! Ich habe zeit meines Lebens noch keinen Geist gesehen, auch noch keinen Brief von so einem Wesen erhalten.“
„Ik ook nok niet; ik will ook zien schrijven dezen Keerl van ginds – Ich auch noch nicht; ich will auch diesen Kerl aus dem Jenseits schreiben sehen“, meinte der Mijnheer.
Und Richard Stein bat: „Einen Geist, welcher schreibt? Lieber Onkel Methusalem, den möchte ich auch gern sehen. Können wir nicht gleich hier bleiben?“
„Warum denn nicht?“ antwortete Gottfried von Bouillon. „Son'ne Jeisterjeschichte ist mich zwar immer verdächtig. Jeister können mich eben nie imponieren. Der einzige ehrliche Jeist ist doch nur der auf Flaschen je- und wohljezogene. Aberst ich möchte es mich doch mal jenehmigen, eenen Jeist mit Pen-tse, also mit Zopf zu sehen, und so verhoffe ich, dat unser Methusalem es möglich macht.“
„Hm!“ zuckte der Genannte die Achsel. „Viel liegt mir gar nicht daran; aber was hindert uns, gleich hier zu bleiben? Das Wenige, was wir am Land noch zu tun haben, ist bald geordnet, und da ihr mich überstimmt, so will ich mich in euren Wunsch ergeben.“
Er sagte das dem Kapitän. Dieser ließ sich Instruktion erteilen und sandte dann mehrere Leute ab, welche für die Reisenden einkaufen sollten, was der Methusalem als nötig angegeben hatte. Einer von ihnen mußte in das Hongkong-Hotel gehen, um dort dem Wirt zu melden, daß die Gäste nicht zurückkehren würden; der Mijnheer gab ihm eine schriftliche Bescheinigung mit.
Als diese Veranstaltungen getroffen waren, durften die Passagiere das Innere des Schiffes besichtigen und die Koje oder vielmehr Kajüte in Augenschein nehmen, welche ihnen als Aufenthaltsort dienen sollte.
Die Dschunke machte auch in ihrem Innern ihrem Baumeister und den sie regierenden Offizieren alle Ehre. Sie führte nur zwei Deckkanonen, und der Kapitän versicherte, daß keiner seiner Matrosen bewaffnet sei. Er behauptete, vor den Räubern vollständig sicher zu sein, da die ‚Königin des Wassers‘ das am schnellsten segelnde Schiff des chinesischen Meeres sei und von keinem andern eingeholt werde, im Gegenteil aber jedem leicht ausweichen könne.
Nach Kanton sollte das Schiff in Ballast gehen und erst dort Ladung nehmen, da es hier in Hongkong die bisherige gelöscht hatte. Nur eine Anzahl großer, schwerer Kisten standen im Güterraum. Sie enthielten die Maschinenteile einer großen Brennerei, welche in der Nähe von Kanton gebaut worden war und deren Eigentümer die Maschinen in Europa bestellt hatte. Sie waren von der ‚Königin des Wassers‘ in Singapore in Empfang genommen worden.
So erzählte der Ho-tschang, und die Reisenden hatten keine nähere Veranlassung, die Wahrheit seiner Angaben in Zweifel zu ziehen.
Nur eins fiel dem Methusalem auf, nämlich die ungewöhnlich große Anzahl der Matrosen, welche mit der Größe des Schiffes und der Einfachheit des Takelwerks gar nicht im Verhältnis stand. Das konnte aber, wie Turnerstick meinte, auf chinesischem Brauch beruhen und war also kein Grund, Mißtrauen zu erwecken. Ein chinesischer Matrose bekommt so wenig Lohn und so wenig Essen, welches nur in billigem Reis besteht, daß ein Reeder oder Kapitän sich schon den geringen Luxus einiger überzähliger Mannen gestatten kann.
SECHSTES KAPITEL
‚Kong-pit‘
Der Raum, welcher den Passagieren angewiesen wurde, war wirklich mehr Kajüte als Koje. Sie war zwar leer und nur mit einer Strohmatte belegt, aber so hoch, daß man aufrecht stehen konnte, und so lang und breit, daß die fünf Reisenden gut Platz hatten. Wenn die an das Land geschickten Matrosen die Decken brachten, nach denen sie mitgeschickt worden waren, so ließ sich ein für die Nacht recht bequemes Lager herstellen.
Lieb war es den Reisenden, daß zu ihrer ausschließlichen Bedienung ein Matrose kommandiert wurde, welcher des Englischen ziemlich mächtig war. Er besaß kein mongolisches Gesicht, war klein und schmächtig und teilte ihnen mit, daß er ein Malaie sei und sein Englisch in Ostindien gelernt habe. Er war sehr gefällig, schien ihre Wünsche zu erraten, bevor sie dieselben aussprachen, brachte ihnen allerlei Gegenstände herbei, welche ihm geeignet erschienen, der Kajüte ein wohnlicheres Aussehen zu geben.
Es verstand sich ganz von selbst, daß die Schiffsoffiziere mehr zu tun hatten, als sich nur mit
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