32 - Der Blaurote Methusalem
ihren Passagieren abzugeben. Diese saßen beieinander an Deck, um die Rückkehr ihrer Boten zu erwarten, welche nach chinesischer Art ungewöhnlich lang ausblieben. Es wurde indessen dunkel, und der Malaie hing eine Papierlaterne in ihrer Nähe auf. Dann ließ er sich so nieder, daß er ihre Befehle gleich hören konnte. Ob er auf ihr Gespräch achtete, war ihnen gleich, da sie sich in deutscher Sprache unterhielten, die sehr wahrscheinlich hier kein Mensch verstand.
Endlich kamen die Matrosen, welche die eingekauften Gegenstände brachten und in die Kajüte bringen mußten. Die Passagiere gingen natürlich auch dorthin. Das gab dem Malaien Gelegenheit, sich von ihnen unbemerkt zum Kapitän zu begeben, bei welchem sich in diesem Augenblick der Priester befand.
„Nun“, fragte der erstere in englischer Sprache, „hast du etwas erlauscht?“
„Sehr viel. Ich kenne sie nun so genau, als ob ich schon wochenlang ihr Diener gewesen wäre.“
Der Malaie sprach jetzt ein sehr gutes amerikanisches Englisch, während er vorher den Passagieren gegenüber getan hatte, als ob er es nur radebreche.
„Nun, wo sind sie her?“
„Vier von ihnen sind Deutsche, und der Dicke ist ein Dutchman, ein Holländer.“
„Reich?“
„Dem Anschein nach haben sie viel Geld bei sich.“
„Und was sind sie? Der mit der blauroten Nase sagte, er sei vom höchsten Adel; Adam nannte er seinen Ahnherrn.“
„Das glaube ich. Adam ist der erste erschaffene Mensch, also der Ahnherr aller Menschen.“
„So hat dieser Mensch mich belogen?“
„Vielleicht ist die Reihe seiner Ahnen eine berühmte. Er und seine zwei Begleiter tragen die Tracht derjenigen jungen Leute, welche in Deutschland Mandarinen, also Kuan-fu werden wollen.“
„Also sind sie es noch nicht?“
„Nein.“
„Betrüger! Was sind die beiden andern?“
„Der Dicke ist ein Hong-tse, ein Kaufmann, welcher hier ein Geschäft gründen will und also viel Geld bei sich haben muß. Der chinesisch Gekleidete aber muß ein Ho-tschang sein wie du. Er ist halb verrückt und gibt sich für einen Fu-tsiang aus, was ihm sehr übel bekommen kann.“
„Und was wollen diese Deutschen in China?“
„Sie suchen den Oheim des jüngsten von ihnen, welcher sehr, sehr reich sein muß. Auch suchen sie eine Frau und deren Kinder.“
„Das hast du gehört?“
„Ja, sehr deutlich.“
„Haben sie denn englisch gesprochen?“
„Nein, sondern deutsch, ihre Muttersprache.“
„Und die verstehst du?“
„Ja. Du weißt doch, daß ich geborener Yankee bin und meinem Kapitän davonlief, weil ich einem Matrosen das Messer in den Leib gestoßen hatte und dafür in Eisen gelegt werden sollte. Ich bin da auf die ‚Königin des Wassers‘ gekommen, wo mich keiner findet und es mir noch viel besser gefallen wird, wenn ich erst Chinesisch besser verstehe. Ich bin mit deutschen Matrosen gefahren und habe von ihrer Sprache, welche der englischen ähnlich ist, so viel gelernt, daß ich diese fünf Passagiere ziemlich gut verstehe.“
„Das ist vortrefflich! Horche nur weiter; aber laß dir nichts merken! Ich werde dich extra belohnen. Das Geld haben sie bei sich?“
„Natürlich! Aber diese Leute tragen ihr Vermögen nicht in Metall, sondern in Wechseln und andern Papieren bei sich.“
„Davon verstehe ich nichts. Ich werde also ihnen die Münzen abnehmen und die Papiere an den Hui-tschu in Ngo-feu verkaufen.“
„Du willst also nicht nach Kuang-tschéu-fu?“
„Fällt mir gar nicht ein! Während die Kerls schlafen, gehen wir in See.“
„Wir haben aber Flut; da wird es schwer gehen.“
„Wir warten, bis die Ebbe eintritt.“
„Die Leute werden es merken.“
„O nein, denn sie bekommen Opium in das Getränk, und der Landwind wird uns ganz geräuschlos in die See treiben, wo wir sie in das Wasser werfen. Meine Papiere sind in Ordnung; ich kann also fort, wenn es mir beliebt.“
„Ertränken willst du sie?“
„Gewiß! Hast du Mitleid mit ihnen? Meinst du, daß ich sie leben lassen soll, damit sie dann verraten, daß meine ‚Schui-heu‘ ein Tseu-lung-yen ist?“
„Daran denke ich nicht. Aber jetzt dürfen sie noch nicht sterben, sondern erst später in Ngo-feu bei dem Hui-tschu.“
„Warum?“
„Weil wir ohne sie ihre Papiere nicht verkaufen oder sonst verwerten können. Ich kenne das.“
„Du mußt es freilich besser wissen als ich. Müssen sie denn dabei sein?“
„Ja, sie müssen ihre Einwilligung und Unterschrift geben.“
„Das werden sie nicht
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