335 - Der verlorene Sohn
Waffen in diesem Körper konnte er Waashton problemlos zurückzuerobern. Vor allem die von Fudoh entwickelten taktischen Routinen waren – das musste er zugeben – hervorragend ausgearbeitet. Verbunden mit seinem eigenen Wissen bildete er eine schier unbesiegbare Kampfmaschine.
Kroow war ein Monstrum gewesen, gelenkt von seinem wie auch vom Willen des Koordinators. Dieser Androidenkörper war dagegen... makellos. Das Einzige, was ihn daran störte, war, Fudohs Gesicht zu tragen. Aber das ließ sich bei Gelegenheit mit den entsprechenden Mitteln neu modellieren.
Crow blickte ein letztes Mal zu Kerans Leiche, bevor er sich wieder dem Stahlschott zuwandte. Er hatte schon zu viel Zeit verloren.
Zu viel? Wohl nicht. Takeo konnte aus dieser Falle nicht entkommen. Ob er wohl noch lebte?
Crow trat an den zerstörten Monitor heran. Zwar konnte der kein Bild mehr empfangen, aber vielleicht funktionierte die Verbindung zum zentralen Computer noch. Er packte den Rahmen, riss ihn mit einem Ruck aus der Wand und studierte die nun freiliegende Elektronik. Mit dem neu entdeckten Werkzeug war es ihm möglich, sich direkt mit einem Netzwerk zu verbinden. Erneut verformte er mit einem Gedankenbefehl die Nano-Polymerverbindung seines Fingers, diesmal zu einem Computeradapter.
Nach ein paar Fehlversuchen fand er eine intakte Leitung und stellte eine Verbindung zum Zentralrechner her. Dann begann er nach Miki Takeo zu suchen.
***
Fudohs Katana lag zerbrochen in der Ecke, genau wie sein Besitzer. Miki hatte das Exoskelett zerschmettert und den Leib des Japaners so lange mit der Faust bearbeitet, bis dieser endlich aufgab. Fudohs Atem ging stoßweise, seine Augenlider flatterten, doch sein Gesicht wirkte noch immer starr wie eine Maske.
Der Kampf hatte seinen verheerten Körper überanstrengt, die letzten Reserven aufgebraucht. Er lag im Sterben – und das war gut so. Solange er lebte, war Fudoh eine tickende Zeitbombe.
Miki wandte sich ab. Höchste Zeit, sich um Aiko zu kümmern.
Er versuchte eine Verbindung zum Zentralcomputer herzustellen, um nach ihm zu suchen, aber irgendetwas schien seinen Zugriff zu blockieren. Vielleicht war das Netzwerk bei den Kämpfen beschädigt worden. Er versuchte eine Audioverbindung zu etablieren, um wenigstens über die Bunkersprechanlage nach Aiko zu rufen, doch auch dabei scheiterte er.
Dass es kein Schaden war, sondern jemand dahintersteckte, wurde ihm im nächsten Moment bewusst.
Dass dieser Jemand allerdings Aiko Tsuyoshi war, verblüffte ihn. Doch es gab keinen Zweifel: Es war seine Stimme – oder vielmehr die des Fudoh-Androiden –, die plötzlich durch die Zentrale klang:
»Hallo, Takeo. Wie sieht es aus? Ist es dir gelungen, Fudoh und seine Bande auszuschalten? Entschuldige, wenn ich nachfragen muss, aber die Videoverbindung ist ausgefallen.«
Mikis Verwirrung wuchs. Aiko plauderte, als wäre seine Abwesenheit Teil des Plans gewesen.
»Aiko!«, stieß er hervor. »Wo zum Teufel warst du? Was ist passiert? Wieso hast du nicht in den Kampf eingegriffen? Ich hätte dich hier brauchen können.«
»Ich fand es spannender, mit mir selbst auf den Ausgang des Kampfes zu wetten«, erwiderte Aiko leichthin. »Und was soll ich sagen, ich habe gewonnen.«
In Miki schrillten die Alarmglocken. Da stimmte etwas ganz und gar nicht. War das eingetreten, was er schon befürchtet hatte: eine virtuelle Neurose als Folge des Schocks, in einem fremden Körper ins Leben zurückgekehrt zu sein?
»Aiko, was ist los mit dir?«, fragte er besorgt.
»Falscher Name.« Ein verzerrtes Lachen drang durch die Lautsprechermembran. »Versuch es noch mal, alter Feind.«
Falscher Name? Alter Feind?
Mikis Logikroutinen verarbeiteten Aikos Worte, ohne zu einem vernünftigen Ergebnis zu gelangen. Aiko drehte durch, kein Zweifel. »Hör mir zu, mein Sohn«, sagte er. »Dein System läuft fehlerhaft. Ich empfehle dir, es neu zu booten. Wo bist du? Ich komme auf schnellstem Wege und helfe dir.«
»Wenn hier einer Hilfe braucht, dann du«, antwortete Aiko. »Du bist ein Auslaufmodell, Takeo. Ich denke, man sollte dich aus dem Verkehr ziehen.«
Um Aiko stand es schlimmer als gedacht. Das klang nach Schizophrenie. Konnte es denn sein, dass General Fudoh bereits unentdeckt seine Persönlichkeit in dem Androidenkörper installiert hatte, ohne dass es ihm und Aiko aufgefallen war? Ein Bewusstsein, das jetzt die Oberhand gewann?
Doch die Wahrheit, die Miki im nächsten Moment erfuhr, war viel grausamer als das.
»Ich
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