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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Suchanek
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trug er eine Kutte. Doch seine gewählte Ausdrucksweise und sein Wissen um moderne Technik ließen vermuten, dass es sich um einen Techno oder Retrologen handelte. Oder um...
    »Sind Sie der ›Große Herr‹?«, stellte Miki die offensichtlichste Frage.
    Der Andere stutzte. »Großer Herr? Eine durchaus schmeichelhafte Formulierung, aber wenn Sie damit eine bestimmte Person meinen, liegen Sie falsch.«
    Miki wertete die Antwort positiv. Hätte es sich um den unbekannten Gegner aus Campeche gehandelt, wären seine Überlebenschancen gering gewesen. Blieb die Frage:
    »Warum haben Sie mich angegriffen?«
    Der Andere beobachtete ihn mit einem durchdringenden Blick. Seine Pupillen bewegten sich kaum, waren starr auf Mikis Gesicht gerichtet. Mit einer fließenden Bewegung zog er einen Stuhl auf Rollen heran und ließ sich hineinsinken. »Sie sind ein Android«, erwiderte er nach einer Weile. »Wesen Ihrer Art haben schon viel Leid über diesen Ort gebracht.«
    Der Fremde wusste um die Vorgänge in Amarillo! Aber offenbar nicht, dass die Unsterblichen damals nur dank eines vom WCA [6] eingeschleusten Virus durchgedreht waren.
    »Es gibt keinen Grund für Sie, mich hier festzuhalten. Ich versichere Ihnen, meine Absichten sind friedlicher Natur«, erklärte Miki. »An einer Auseinandersetzung bin ich nicht interessiert.«
    »Dazu sind sie auch gar nicht in der Lage, mein Freund.« Mit diesen Worten betätigte der Fremde eine Taste. Auf einem Bildschirm in Mikis Gesichtsfeld erschien eine Aufnahme des Raumes.
    Wäre Miki ein Mensch gewesen, hätte ihn der Anblick, der sich ihm bot, zweifellos bis ins Mark erschüttert. Als Android nahm er ihn emotionslos zur Kenntnis:
    Auf dem Monitor konnte er das Labor in seiner Gesamtheit überblicken. Ein Gewirr an Kabel und Stangen hing von der Decke – und darunter Miki Takeos Gliedmaßen, Beine und Arme abgetrennt. Sein Torso lehnte an einer Wand, und auf dem Tisch davor ruhte sein Schädel. Damit war klar, warum er keine Verbindung zu seinem restlichen Körper etablieren konnte.
    »Sie haben mich zerlegt«, sprach er das Offensichtliche aus. »Weshalb?«
    »Informationen«, sagte der Unbekannte. »Ihr Inneres offenbart mir alles, was ich für eines meiner Projekte wissen muss.«
    »Warum haben Sie mich nicht einfach um meine Mithilfe gebeten?«
    »Die Wahrscheinlichkeit für Ihre Kooperation war nur gering.« Der Unbekannte erhob sich. In einer beiläufigen Bewegung schob er den Sessel zur Seite. »Was würden Sie sagen, wenn ich mich Ihnen als Liam Carter vorstelle?«
    Mikis Überraschung hielt sich in Grenzen – weil es nicht sein konnte. Damals hatte sein alter Weggefährte Liam Carter unter dem Einfluss des Weltrat-Virus die Macht in Amarillo an sich gerissen und Jagd auf die menschlichen Bewohner der Stadt gemacht.
    Erst durch Aikos Eingreifen konnte Liam vernichtet werden. Es existierten keinerlei Erinnerungsspeicher oder Gedächtniskopien von ihm. So wie es auch keine Unsterblichen mehr gab. Durch den Ausfall der technischen Komponenten in ihren Körpern waren sie früher oder später alle gestorben.
    Folglich war es unmöglich, dass es sich bei dem Fremden um den alten Weggefährten und späteren Gegner handelte. Miki erkannte, dass der Mann nicht nur über die vergangenen Zeiten Bescheid wusste, sondern es auch gezielt einsetzte, um ihn zu manipulieren. Das grenzte die Zahl der Verdächtigen ein. Sein Analyseprogramm lief auf Hochtouren.
    »Sie testen die Funktion meiner Gedächtnisimplantate«, sagte Miki. »Sie können nicht Liam Carter sein.«
    Der Unbekannte klatschte in die Hände. »Das stimmt exakt.« Er trat einen Schritt näher. »Sie müssen das verstehen, Takeo. Während Ihrer inaktiven Phase brachte ich Sensoren auf der Innenschale Ihres Schädels an. Nun muss ich die Reaktionen Ihres Gedächtnisses ausmessen, um sicher zu sein, dass Sie keine Beschädigungen davongetragen haben.«
    »Aber das ist es nicht allein«, vermutete Miki Takeo.
    »Wieder richtig!«, frohlockte der Mann. »Durch spezifische Testfragen, die ihre Erinnerungscluster aktivierten, konnte ich herausfinden, wo genau Ihre Erinnerungschips liegen, Ihr Kurz- und Langzeitgedächtnis. Die Festplatte in ihrem Kopf, wenn ich das so salopp ausdrücken darf, simuliert zwar die Funktionen eines menschlichen Gehirns, der strukturelle Aufbau unterscheidet sich jedoch eklatant davon. Aber wem erzähle ich das? Das wissen Sie natürlich besser als jeder andere.«
    »Freut mich, wenn ich Ihre Neugierde

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