335 - Der verlorene Sohn
noch einen letzten Blick auf die geschwärzten Steine der Hausruine. Die Teknikk darin bestand nur noch aus verkohltem, unbrauchbaren Schrott. Kurrt hätte das gefallen. Es fühlte sich gut an, das Richtige zu tun. Keran beschützte die Stadt.
***
In der folgenden Zeit hielt er sich zurück. Er beschränkte seine Attacken gegen Werkstätte auf ein Minimum und suchte Ziele aus, die weit entfernt lagen. So konnte niemand – nicht einmal Meg – eine Verbindung zu ihm herstellen.
Keran genoss das Gefühl, etwas für die Stadt zu tun, sie vor der Teknikk zu beschützen. Er achtete stets darauf, dass keine Menschen zu Schaden kamen, beschädigte nur Maschinen und Werkzeuge. Bisher war alles gutgegangen, niemand verdächtigte ihn.
Heute wollte er eine Fabrik zerstören, die offiziell Motoren entwickelte. In Wahrheit – dessen war er sich ganz sicher – stellten sie Teknikk zum Bau von Androiden her. Das konnte er nicht zulassen. Wenn die Bewohner der Stadt die Gefahr, in der sie täglich schwebten, nicht selbst erkannten, musste er sie eben allein bekämpfen. Mit seinen achtzehn Wintern fühlte er sich stark genug, um diese Verantwortung zu übernehmen. Das Leben als stiller Held, der aus dem Verborgenen agierte, genügte ihm völlig. Eines Tages würden die Menschen begreifen, was er für sie tat. Dann konnte er ans Licht der Öffentlichkeit treten.
Einstweilen konnte er aber nicht einmal die Hand vor Augen sehen, als er auf das Gelände vordrang. Die Nacht war tiefschwarz, der Mond wurde von Wolken verdeckt.
Die beiden gelangweilten Wachen zu passieren stellte kein Problem dar. Einer von ihnen schlief, während der zweite ein Biir nach dem anderen kippte.
Keran robbte, dicht auf den Boden gepresst, an ihnen vorbei. Die Deckung von Sträuchern und Bäumen ausnutzend, gelangte er bis zum Nebeneingang der Fabrik. Dort hebelte er mit einer gebogenen Eisenstange das rostige Schloss auf. Ein letztes Mal blickte er sichernd umher, dann glitt er lautlos ins Innere.
Einige der hiesigen Arbeiter besuchten nach ihrer Schicht regelmäßig die Bar, in der Meg arbeitete. Dort hatte er sie an den vergangenen Abenden unauffällig ausgehorcht. In ihrem Stolz über die eigene Arbeit und redselig vom Alk kannten sie keine Hemmungen, auch Details auszuplaudern.
Ein Gewirr aus Gängen erwartete ihn. Zielsicher hielt er sich rechts und erreichte nach kurzer Zeit die Haupthalle. Er musste den Kopf weit in den Nacken legen, um die gewaltigen Förderbänder und Produktionsketten zu überblicken.
Keran sehnte sich in die Zeit zurück, als – wie durch einen gütigen Zauber – die gesamte Teknikk in Waashton und auch anderswo ausgefallen war. [7] Das Leben in dieser Zeit war beschwerlich gewesen, doch die Menschen hatten bewiesen, dass es mit Arbeit und Durchhaltevermögen zu schaffen war.
Doch genauso schnell, wie sie ausgefallen war, funktionierte die Teknikk plötzlich wieder. Und die Leute fielen in den alten, bequemen Zustand zurück.
Keran öffnete seine Umhängetasche. Darin befanden sich zwölf dünne Stangen, die mit einer langen Schnur verbunden waren. Ein befreundeter Händler, der Keran mittlerweile als Stammkunden ansah, machte ihm dafür stets einen guten Preis. Nur Meg durfte niemals erfahren, wofür er einen Großteil seines Gehalts verwendete.
Keran zog die erste Stange hervor. Wie der Händler ihm erklärt hatte, befand sich im Inneren eine Mischung aus Bergmehl und einem Stoff namens Clycerin... den Rest der Bezeichnung hatte er sich nicht merken können. Die Stange war von einer Schutzhülle umgeben, an deren Ende eine Sprengkapsel angebracht war. Direkt in dieser Kapsel steckte ein dünner Stift, an dem eine Zündschnur klebte.
Der Händler nannte die Bombe »Nobelstange«. Angeblich hatte einer seiner Großväter, dessen Erwähnung dem Alten jedes Mal die Brust schwellen ließ, sie entwickelt. [8]
Bei seiner ersten Sprengung mit einer solchen Nobelstange hatte Keran die Entfernung falsch berechnet. Beinahe hätte ihn das das Leben gekostet. Ein Fehler, den er seitdem nicht wiederholt hatte.
Flink huschte er durch die Halle. An jeder der Maschinen deponierte er eine der Stangen. Am Ende öffnete er ein Seitenfenster und rollte die Zündschnur ab. So konnte er die Bomben von außerhalb des Gebäudes zünden.
Gerade als er auf den Ausgang zusteuerte, drang ein Poltern aus einem der Gänge, dicht gefolgt von einem Kichern.
Flink sprang Keran hinter eine der Aufbauten. Keine Sekunde zu früh, denn schon
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