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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anderen steht? Er spricht eben jetzt auf die Gefangenen ein.“
    „Natürlich sehe ich ihn, denn er ist ja groß genug, Señor.“
    „Aber du siehst ihn jetzt wohl zum erstenmal?“
    „Nein!“
    „Was? Wie? Wirklich?“ stieß er schnell hervor. „Du kennst ihn also?“
    „Ja. Jeder kennt diesen Mann.“
    „Wer ist er?“
    „Benito Pajaro, den sie den Gambusino nennen.“
    „Ah! O! Der – der – der! Alle Welt kennt ihn; jeder hat ihn gesehen! Nur mir allein ist er noch nicht vor die Augen gekommen, obgleich ich ihn jahrelang gesucht, ja förmlich nach ihm geschmachtet habe!“
    Er hatte bei diesen Worten seine Stimme so erhoben, daß Anciano schnell einfiel: „Nicht so laut, Señor, nicht so laut! Sie verraten uns ja! Was ist mit Ihnen? Sie, der vorsichtigste Mann, den ich kenne, bringen uns in eine solche Gefahr! Haben Sie etwas mit dem Gambusino?“
    „Ob ich etwas mit ihm habe!“
    Er sprach nur diese Worte; sie kamen dumpf zwischen seinen Lippen hervor, und dann hörte der Alte ihn mit den Zähnen knirschen. Darauf blieb er still. Das war um die Zeit, in welcher die Lassos aneinandergeknüpft wurden; dann stiegen, wie schon erwähnt, die beiden Indianer auf den Baum. Als Anciano dies sah, fragte er mehr sich selbst als seinen Gefährten: „Was haben sie vor? Wozu schaffen sie die Riemen auf die Äste?“
    „Ich vermute es“, antwortete der Vater Jaguar, jetzt wieder in der ruhigen Weise, welche ihm so eigentümlich war.
    „Will man die Gefangenen etwa aufhängen?“
    „Ja.“
    „So können wir sie nicht retten!“
    „Vielleicht doch.“
    „Dann wäre keine Zeit zu verlieren. Was aber vermögen wir zwei gegen so viele?“
    „Wir haben Zeit. Man will die Gefangenen nicht in der gewöhnlichen Weise hängen, nämlich nicht am Hals. Wollte man das tun, so hätte man es bequemer und brauchte nicht die Äste zu wählen, welche über das Wasser ragen. Paß auf!“
    Es folgte die schon beschriebene Szene. Als die beiden Gefangenen an den Ästen hingen und die Krokodile herbeigeschossen kamen, langte der Vater Jaguar unwillkürlich nach seinem Rücken, auf welchem er sein Gewehr hängen hatte, zog die Hand aber wieder zurück und flüsterte in hörbar erleichtertem Ton: „Gott sei Dank! Ich brauche nicht zu schießen. Man will sie einstweilen noch quälen. Man hat sie so hoch gehängt, daß sie von den Bestien nicht gefaßt werden können.“
    „Welche Grausamkeit, Señor! Sehen Sie nur, wie die Tiere nach ihnen schnappen! Was raten Sie uns zu tun?“
    „Jetzt noch nichts. Wir müssen noch warten.“
    „Bis die Armen tot sind?!“
    „Wir können unmöglich schon jetzt handeln. Warten wir, was noch geschieht! Die Lage der armen Teufel ist zwar schrecklich, aber keineswegs schon lebensgefährlich. Die um die Brust gelegten Riemen drücken ein wenig; das ist auszuhalten.“
    „Ich möchte am liebsten mitten unter die Halunken hineinspringen!“
    „Das würde nichts helfen, sondern nur uns mit denen verderben, welche wir retten wollen. Also Geduld!“
    Sie machten sich diese Mitteilungen in ziemlich lautem Ton, da die Aripones ein Geheul wie die Teufel erhoben hatten. Dies verstummte nach und nach; eine kleine Weile verging, und dann sahen die beiden, daß die Aripones mit ihren weißen Verbündeten den Platz verließen und sich um die am Baum Hängenden nicht mehr zu kümmern schienen.
    „Jetzt hin, Señor!“ flüsterte Anciano dem Vater Jaguar zu. „Die Zeit zum Handeln ist da!“
    Er wollte auf. Hammer drückte ihn nieder und antwortete in befehlendem Ton: „Bleib! Willst du alles verderben?“
    „Verderben? Es ist ja niemand mehr dort!“
    „Siehst du denn, wo unsere Feinde sich befinden?“
    „Nein; es ist ja dunkel; aber fort sind sie doch!“
    „Vielleicht; ja sogar wahrscheinlich; aber wenn wir uns übereilen, können wir alles verderben. Sie lassen die Gefangenen hängen, um sie so lange wie möglich zu quälen und erst später den Krokodilen zu überlassen. Jetzt werden sie Material zusammentragen, um da draußen, wo sie lagern wollen, Feuer anzuzünden; sie sind also noch in der Nähe. Dann, wenn ihre Feuer brennen, können wir sie sehen, und dann ist die Gefahr für uns nicht so groß wie jetzt.“
    „Sie werden Wächter bei dem Baum lassen!“
    „Denen geben wir unsere Messer. Gerade ihre Grausamkeit, die Todesqual der Gefangenen zu verlängern, läßt vermuten, daß sie sich ganz sicher fühlen. Wir haben Zeit, das versichere ich dir.“
    „Und ich möchte das Gegenteil

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