36 - Das Vermächtnis des Inka
werden. Wir müssen hin, um ihm beizustehen.“
Hammers Stirn legte sich in zornige Falten; er bückte sich, strich mit der Hand über das von den Pferden niedergetretene Gras und zürnte dann: „Es ist so. Diese Menschen sind vor zwei Stunden hier gewesen. Sie werden jetzt drüben angekommen sein, und wenn wir ihnen zu ihrer Rettung folgen, so kann es sehr leicht geschehen, daß wir zu spät kommen und mit den Aripones zusammengeraten.“
„So meinen Sie, daß wir sie ohne Beistand lassen?“
„Nein. Das mag ich denn doch nicht auf mein Gewissen nehmen. Ist es der Doktor, so muß ihm geholfen werden. Und es kann kein anderer sein. Er hat seinen Diener beschwatzt, mit ihm zu kommen, und dieser Fritze ist imstande, aus Liebe zu seinem Herrn die unmöglichsten Albernheiten zu begehen. Sie haben Packpferde mitgenommen, um ihnen die Knochen aufzuladen.“
„So wundert es mich nur, daß Señor Geronimo ihnen erlaubt hat, sich zu entfernen. Er ist doch sonst ein höchst umsichtiger und auch strenger Mann.“
„Der? Es ihnen erlaubt? Würde ihm nie einfallen! Sie haben sich heimlich entfernt, bei Nacht und Nebel, ohne daß es jemand bemerkt hat. Darum sind sie erst vor so kurzem hier gewesen. Es bleibt uns wirklich nichts anderes zu tun, als nach dem Sumpf zu reiten, um zu sehen, ob wir die Gefahr von den Unvorsichtigen abwenden können. Aber höchst vorsichtig müssen wir sein. Wir dürfen nicht gesehen werden.“
Sie stiegen wieder auf und folgten nun der Spur der beiden Missetäter. Es war notwendig, Galopp zu reiten, denn der Sumpf lag zwei Reitstunden entfernt, und gerade so lange hatte man noch bis zum Anbruch der Finsternis Zeit.
Während sie so über die Ebene flogen, hielten sie die Augen scharf nach der Gegend gerichtet, aus welcher die Feinde zu erwarten waren. Es verging eine Stunde und noch eine halbe, der Sumpf konnte nicht mehr weit entfernt sein. Da deutete der Inka, welcher die jüngsten Augen besaß, nach Osten und sagte: „Dort kommen Reiter. Sie bilden einen großen Punkt; darum sehe ich sie; sie aber bemerken uns noch nicht, da wir nur drei Personen sind.“
„Wir sind gezwungen, einen Bogen zu schlagen, um ihnen aus der Sehweite zu kommen“, riet Hammer.
„Wenn wir nun den Sumpf zwischen sie und uns bringen, werden sie uns wahrscheinlich nicht entdecken“, sagte Hauka.
„Aber Ihre beiden Landsleute, Señor?“ frage Anciano. „Wo finden wir diese?“
„Das ist schwer zu sagen. Wir kennen leider die Stelle des Ufers nicht, an welcher sie sich befinden. Sie kann aber unmöglich entfernt von derjenigen liegen, an welcher der Doktor bei unserer Ankunft hier zurückblieb, um sich die Knochen zeigen zu lassen.“
Nach einigen Sekunden schon war der Punkt, welchen Haukaropora gesehen hatte und für eine Schar von Reitern hielt, verschwunden. Die drei schlugen einen weiten, nach Westen gerichteten Bogen und verlängerten denselben zu einem Halbkreis, welcher sie wieder östlich führte. Da sahen sie in der Ferne Bäume stehen, dann auch die niedrigen Sträucher, und hielten nach wenigen Minuten am westlichen Ende des Sumpfes, so, daß dieser sich zwischen ihnen und den heranziehenden Aripones befand.
Sie stiegen ab und banden ihre Pferde an. Der Vater Jaguar nahm sein Fernrohr aus der Tasche und kletterte auf einen Baum, da er von da oben aus weiter sehen konnte. Ja, da hinten kamen sie, die Aripones, voran eine Reiterschar, welche aus lauter Weißen zu bestehen schien, und hinter derselben die Indianer zu Fuß. Hammer suchte mit seinem Rohr das Schilf ab, konnte aber niemand entdecken, da Morgenstern und Fritze in gebückter Haltung an ihren wertvollen Fund arbeiteten.
Die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Der Vater Jaguar freute sich darüber, denn das, was es hier wahrscheinlich zu tun gab, ließ sich bei Nacht viel leichter als am Tage ausführen. Der junge Inka hatte auch einen Baum bestiegen. Er konnte von seinem Sitz mehr sehen als Hammer und rief diesem schon nach wenigen Augenblicken zu: „Fünf Pferde, Señor! Ich sehe sie.“
„Wo?“
„Da drüben an den Bäumen hinter dem Gebüsch. Von Ihrer Stelle aus kann man sie nicht sehen.“
„Da müssen sie doch von den Aripones bemerkt werden?“
„Ja. Die Reiter galoppieren gerade auf sie los. Jetzt steigen sie bei ihnen ab.“
„O weh! Man wird die Unglücklichen sogleich entdecken.“
Die beiden Lauscher sahen von ihren Sitzen aus, daß die anderen Ankömmlinge nicht ganz bis zum Sumpf marschierten, sondern in
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