37 - Satan und Ischariot I
Gesicht mehr als ernst und seine Stimme schien zu zittern, indem er verkündete:
„Der Häuptling der Apachen hat gesagt, daß der ‚Starke Büffel‘ noch heute die ewigen Jagdgründe betreten werde, und er hat recht gehabt. Die Faust Old Shatterhands ist wie ein Felsen; sie zerschmettert selbst dann, wenn er nicht töten will.“
Das war nur zu wahr gesprochen, denn ich hatte den ‚Starken Büffel‘ wirklich nicht erschlagen wollen. Ein kräftiger Mensch kann einen anderen sehr wohl durch einen Fausthieb betäuben, wenn ihm die Faust dann auch für einige Stunden schmerzt, aber erschlagen, geradezu erschlagen, das kann nur dadurch geschehen, daß man eine höchst empfindliche Stelle trifft oder eine solche, welche im Augenblick des Hiebes eine lebensgefährliche Blöße bildet. Die Zuschauer standen stumm, auch die beiden Söhne des Besiegten, zu welchem ich mich auch niederkniete, um zu sehen, ob Winnetou sich getäuscht habe oder nicht.
Seine stieren Augen waren diejenigen eines Toten; sein offenstehender Mund deutete auf Lähmung; sein Herz klopfte leise. Er lebte also noch. Ich versuchte, seine Augenlieder zusammenzudrücken; da bewegte er die Lippen und ließ einige unartikulierte Töne hören. Auch seine Augen bewegten sich, indem sie wie nach jemand suchten und dann auf mir haftenblieben. Es kehrte ihnen dabei der Ausdruck zurück, der Ausdruck des Schreckens. Die Lippen schlossen und öffneten sich abwechselnd, um Worte auszusprechen, was aber nicht gelang, und durch den Körper und alle Glieder ging eine – ich möchte sagen, wurmförmige Bewegung, welche bewies, daß der für den Augenblick Gelähmte alle seine Kraft anstrengte, die Lähmung zu überwinden. Ich stand also auf und meldete den Roten, welche mit großer Spannung darauf warteten:
„Es ist nicht tot; er lebt. Seine Seele ist noch in ihm; ob aber der Körper ihr wieder gehorchen wird wie zuvor, das kann ich nicht sagen, das muß abgewartet werden.“
Da stieß der am Boden Liegende einen langen, durchdringenden Schrei aus, schnellte, wie von einer Feder geworfen, empor, schlug mit den Armen um sich und rief:
„Ich lebe, ich lebe, ich lebe! Ich kann reden, ich kann mich bewegen! Ich bin nicht tot, nicht tot!“
Da nahm Winnetou ihm das Messer aus der Hand, hielt es ihm entgegen und fragte:
„Erklärt der ‚Starke Büffel‘ sich für besiegt? Old Shatterhand konnte ihn erstechen, hat es aber nicht getan.“
Da hob der Mimbrenjo langsam den Arm, richtete ihn steif auf mich und antwortete, indem sein Gesicht einen Ausdruck annahm, welchen ich denjenigen des Grauens nennen möchte:
„Das Bleichgesicht hat den lebendigen Tod in seiner Faust. Es wäre entsetzlich gewesen, Leben zu besitzen und doch tot zu sein. Ich will ganz tot sein, wirklich tot. Old Shatterhand mag mir mein Messer ins Herz stoßen, aber so, daß ich dann nicht mehr sehen und nicht mehr hören kann!“
Er stellte sich vor mich in der Haltung eines Mannes, welcher den Todesstoß erwartet, hin. Ich nahm ihn bei der Hand, führte ihn dorthin, wo seine Söhne standen, und sagte zu dem jüngeren:
„Dein älterer Bruder hat einen Namen von mir erhalten; dir mache ich eine ebenso große Gabe: Ich schenke dir deinen Vater. Nimm ihn hin; aber sage ihm, daß er nicht wieder an Old Shatterhand zweifeln möge!“
Der Alte sah mir mit starrem Forschen in das Gesicht, schlug dann die Augen nieder und sprach:
„Das ist fast schlimmer als der Tod! Du gibst mein Leben einem Kind! Die alten Weiber werden auf mich deuten, und von einem zahnlosen Mund wird es zum anderen gehen, daß ich von dir besiegt worden bin und nun einem Knaben gehöre, welcher keinen Namen hat. So wird mein Leben ein Leben voller Schande sein!“
„Mitnichten! Im Zweikampf besiegt zu sein, ist keine Schande, und dein jüngerer Sohn wird sehr bald einen so berühmten Namen haben wie sein älterer Bruder. Deine Ehre ist dir nicht genommen. Frag Winnetou, und frag die Ältesten deines Stammes, sie werden es dir bestätigen!“
Um weiteren Einwendungen zu entgehen, entfernte ich mich. Mein Verhalten war allerdings ein ebenso harter Schlag für ihn, wie derjenige, der ihn ins Genick getroffen hatte. Er ging nach seinem Platz, um sich dort traurig niederzuhocken. Auch die anderen suchten ihre Plätze auf, fanden aber den Schlaf nicht so schnell wieder, wie er ihnen unterbrochen worden war. Als nach der festgesetzten Zeit Winnetou mich ablöste, fragte er mich:
„Hat mein Bruder Shatterhand schon einmal
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