37 - Satan und Ischariot I
aber ich weiß das Gegenteil. Was ich sagte, ist wahr; er aber hat mich beleidigt; er muß mit mir kämpfen!“
Es war wirklich eine Art Genuß, den Blick zu sehen, mit welchem Winnetou den Alten von oben bis unten maß, und dann den Ton zu hören, in welchem er ihn fragte:
„Will mein roter Bruder zum Gelächter der Seinigen werden?“
Das ergrimmte den ‚Starken Büffel‘ noch mehr; er brüllte jetzt förmlich:
„Willst etwa auch du mich erzürnen? Sieh meine Gestalt, meine Arme, meine Schultern, meine Muskeln! Meinst du, daß ich unterliege?“
„Ja! Wenn Old Shatterhand will, wird seine Klinge dir gleich beim ersten Stich ins Herz fahren; aber er wird nicht wollen.“
„Er wird wollen; er muß wollen; ich fordere es von ihm, und wenn er zögert, mit mir zu kämpfen, so ist er ein Feigling, und ich steche ihn ohne Zögern nieder!“
Jetzt zogen sich die Brauen Winnetous zusammen, und seine Züge nahmen jenen, ich möchte sagen, aus Erz gegossenen Ausdruck an, den ich sehr wohl kannte und der mir sagte, daß der Apache seine Seele nun verschlossen habe. Er zog die eine Schulter ein wenig höher, auch eine Bewegung, welche ich gar wohl kannte, und entschied:
„Der starke Büffel ist entschlossen, sich zu blamieren; Old Shatterhand wird mit ihm kämpfen. Welche Bedingungen stellt mein roter Bruder?“
„Kampf auf Leben und Tod.“
„Wann?“
„In diesem Augenblick!“
„Nach welchen Regeln sollen die Messer geführt werden?“
„Nach gar keiner Regel. Ich steche, wie es mir beliebt.“
„Was hat zu geschehen, wenn einer sein Messer verliert? Darf der andere ihn niederstechen?“
„Wenn er kann, so mag er es tun; der erstere aber wird sich mit den Fäusten wehren und den anderen erschlagen oder erwürgen.“
„So weiß ich ganz genau, wer, wenn der andere will, noch heute die ewigen Jagdgründe betreten wird. Meine beiden Brüder werden mir erlauben, der Schiedsrichter zu sein; ich bin bereit, und sie können den Kampf auf Leben und Tod beginnen.“
Die Augen des alten Isegrims leuchteten vor Kampfeslust. Er kannte mich, dachte aber in diesem Moment weder an das, was er über mich erfahren, noch mit mir erlebt hatte. Wenn er zornig war, so gab es bei ihm keine Bedenken; war der Zorn verraucht, so war er der liebenswürdigste Mensch, nämlich so liebenswürdig, wie ein Indianer zu sein vermag. Freilich hatte ihm sein Zorn schon schlimme Streiche gespielt, und er hätte seinen Einfluß und sein Ansehen bei seinem Stamme wohl längst schon verloren gehabt, wenn er nicht sonst ein tüchtiger Anführer und riesenstarker Mann gewesen wäre. Denn wenn ich ihn den ‚Alten‘ genannt habe, so verband ich mit dieser Bezeichnung keineswegs die Begriffe des Schwachen und Hinfälligen. Er zählte vielleicht sechzig Jahre, besaß den Bau und die Körperkraft eines Hünen und befand sich noch im Vollbesitz der ganzen Beweglichkeit, welche andere in solchem Alter verloren haben. Er war also ein mir ebenbürtiger Gegner und mir jetzt eigentlich weit überlegen, weil er den Kampf wirklich ernst nahm, während es ganz selbstverständlich nicht in meiner Absicht liegen konnte, ihn zu verletzen oder gar zu töten. Er besaß die Waffen, welche mir entzogen waren.
Am liebsten hätte ich mich geweigert, auf den Zweikampf einzugehen, aber ich wußte, daß dies für mich lebensgefährlich sei; er wäre in seinem Zorn mit dem Messer auf mich eingedrungen, und dann hätte ich mich doch, und zwar ernstlich, wehren müssen. Darum zeigte ich meine Bereitwilligkeit dadurch an, daß ich mich ihm gegenüberstellte und mein Messer zog, doch nicht mit der rechten, sondern mit der linken Hand. Ich tat dies, um meine rechte Faust frei zu haben; er aber beachtete diesen Umstand nicht.
Die Mimbrenjos hatten gesehen und gehört, um was es sich handelte, und kamen herbei. Die gefangenen Yumas konnten nicht kommen, doch suchten sie sich unter ihren Fesseln eine solche Lage zu geben, daß sie zusehen konnten. Auf allen Gesichtern war der Ausdruck größter Spannung zu bemerken, nur auf denen der beiden Söhne des Häuptlings nicht. Sie wollten es nicht sehen lassen, aber ich sah es doch, daß sie sich in großer Sorge befanden. War ich Sieger, so tötete ich ihren Vater, und blieb dieser in der Oberhand, so war es um mich geschehen, dem sie ihre Dankbarkeit und sogar Verehrung zollten.
So standen wir einander auf fünf Schritt gegenüber, jeder sein Messer in der Hand und das Auge scharf auf den Gegner gerichtet. Winnetou
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