37 - Satan und Ischariot I
derselben getragen wurde. Er hatte eine Decke unter dem Kopf, und neben ihm lag ein Gewehr, welches ich bei unserem ersten Zusammentreffen nicht bei ihm gesehen hatte. Er schlief fest. Wir näherten uns ihm mit unhörbaren Schritten und setzten uns so um ihn nieder, daß wir ein Viereck bildeten und ihn zwischen uns hatten. Sein Gewehr nahm ich natürlich weg und legte es so weit fort, daß er es nicht erlangen konnte. Wir hatten Zeit, da wir unsere Pferde ruhen lassen mußten, und warteten also, ohne ihn aufzuwecken, uns innerlich über sein Erwachen freuend. Da sein langer Rock nicht zugeknöpft war, sahen wir, daß er unter demselben einen Gürtel trug, in welchem ein Bowieknife steckte. Auch die Griffe von zwei großkalibrigen Revolvern sahen aus demselben hervor.
Indem ich sehr langsam und äußerst vorsichtig vorging, gelang es mir, das Messer und einen der Revolver hervorzuziehen; der andere steckte aber fester, und so kam es, daß er die Berührung fühlte und darüber erwachte. Schnell und ohne Schlaftrunkenheit, wie ein echter Westmann, richtete er sich in sitzende Stellung auf und fuhr mit beiden Händen in den Gürtel, aus welchem ich den zweiten Revolver natürlich vollends rasch herausgezogen hatte. Aber so ganz geistesgegenwärtig, wie zum Beispiel Winnetou in solcher Lage gewesen wäre, war er doch nicht. Er starrte uns mit großen Augen an und öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte aber nichts hervor.
„Good morning, Master Player!“ grüßte ich. „Ihr habt sehr fest und gut geschlafen, und das war Euch nach dem weiten Ritt, den Ihr seit Montag gemacht habt, wohl zu gönnen.“
„Was – wißt Ihr – von meinem – – – Ritt?“ brachte er nun doch hervor.
„Fragt doch nicht so dumm! Leute wie wir werden doch wissen, wo Ihr gewesen seid! Da oben bei den Roten, um zu melden, wen Ihr hier gesehen habt, und Euern Schimmel gegen einen Rappen umzutauschen.“
„Wahrhaftig, er weiß es! Was wollt Ihr hier, Sir? Warum treibt Ihr Euch nun mehrere Tage in dieser tristen Gegend herum, wo für Mensch und Tier nichts mehr zu finden ist?“
„Ganz dasselbe könnte ich Euch fragen, will es aber unterlassen, weil es überflüssig ist. Aber vorstellen möchte ich mich Euch. Oder habe ich Euch meinen Namen schon am Montag genannt?“
„Ist nicht nötig, denn wo man Winnetou sieht, ist sicher auch Old Shatterhand zu finden. Daran dachte ich am Montag nicht sogleich.“
„Glaube es! Denn hättet Ihr daran gedacht, so wäret Ihr nicht ausgerissen. Ihr habt doch jedenfalls gehört, welch ein guter und sogar intimer Freund von Melton und den Wellers ich bin, und da Ihr mit diesen Gentlemen so eng verbunden seid, ist Eure Flucht eigentlich ein Unsinn zu nennen. Es war auch vollständig überflüssig, den Indianern die Botschaft zu überbringen. Wir können das viel besser als Ihr besorgen, denn wir wollen ja auch hinauf.“
„Nach Almadén alto?“ entfuhr es ihm.
Das war der Name des Quecksilberbergwerks, welches man nach dem berühmten spanischen Quecksilberbergwerk Almadén so genannt hatte. Almadén alto heiß Hoch-Almadén – weil es hoch in den Bergen liegt.
„Ja, nach Almadén alto“, antwortete ich, „und vorher nach der Fuente de la Roca, um meinem Freund Melton eine Visite zu machen. Er ist krank an den Händen, wie Ihr wißt. Es ist einer so rücksichtslos gewesen, ihm die Hände aus den Gelenken zu drehen, und so muß ich als guter Freund doch einmal hin, um nach seinem Befinden zu fragen. Man kennt doch die Verpflichtungen, welche die Freundschaft einem auferlegt!“
Er wußte natürlich recht gut, was geschehen war; er mußte es erfahren haben. Und so verstand es sich ganz von selbst, daß er meine Worte als das nahm, was sie waren – Hohn. Seine Lage war keine angenehme; das sah er ein; aber wenn er auch wußte, daß er von Winnetou nichts Gutes zu erwarten hatte, so hatte er demselben doch keinen Grund zur persönlichen Rache gegeben, und mir war von ihm ja erst recht nichts geschehen. Darum fühlte er sich wenigstens in Beziehung auf sein Leben und seinen Körper für sicher und nahm an, daß es geraten sei, uns keine Furcht zu zeigen, sondern im Ton begründeter Befremdung zu fragen:
„Was geht mich Euer Verhältnis zu Melton an? Daß Ihr ein Freund von ihm seid, habe ich mir gleich am Montag denken können, da Ihr nach ihm fragtet und von meinem Hiersein unterrichtet wart. Aber was Ihr von mir wollt, das geht mich etwas an! Ihr habt Euch heimlich
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