37 - Satan und Ischariot I
brachte, ging ich auf denselben ein und nahm seine gefesselten Hände zwischen die meinigen. Die Angst, sich die Hände brechen lassen zu müssen, wirkt jedenfalls besser, als ein Dutzend Hiebe auf den Rücken. Kaum hatte ich zugegriffen und einen kräftigen Druck gegeben, so brüllte er entsetzt auf:
„Nein, halt, nicht brechen, nicht brechen! Ich werde alles sagen!“
„Gut, ich will nachsichtig sein und noch warten. Beantwortet meine Fragen der Wahrheit gemäß! Lügt Ihr aber, so prasseln Euch sofort die Knochen! Also Ihr wart droben in Almadén alto und auch an der Fuente de la Roca?“
„Ja.“
„Ihr kennt die Gegenden so genau, daß Ihr als Führer dienen könnt?“
„Ich kenne sie genau. Ich war öfters dort, noch vor Melton und den Wellers.“
„So seid Ihr also der eigentliche Kundschafter, welcher vorausgeschickt worden ist?“
„Das war ich. Ich habe Melton auf die Hazienda und das Bergwerk aufmerksam gemacht.“
„Die deutschen Emigranten werden nach Almadén alto geschafft, um dort unter der Erde graben zu müssen?“
„Ja.“
„Das war schon bestimmt, ehe sie drüben in ihrem Vaterland engagiert wurden?“
„Ja.“
„Sind Yumas oben?“
„In Almadén und an der Fuente. Auch unterwegs hält nach jeder Tagesreise ein Posten von fünf Mann.“
„Was sollen die Yumas in Almadén?“
„Sie sollen für den Proviant und den Transport sorgen, und werden dafür aus dem Ertrag des Bergwerkes bezahlt.“
„Wieviel Mann sind es?“
„Dreihundert lagern in Almadén, zwanzig an der Fuente, und viermal fünf sind von hier bis hin als Posten aufgestellt.“
„Wann kommen die Emigranten hin?“
„Sie müssen schon dort sein.“
„Wieviele kommen unter die Erde?“
„Alle.“
„Doch nicht etwa auch die Kinder?“
„Auch diese.“
„Himmel! So haben wir keine Zeit zu verlieren. Ich hätte noch viel zu fragen, kann das aber auch unterwegs tun. Wir können nicht ausruhen, sondern müssen sofort aufbrechen. Ist mein Bruder Winnetou bereit dazu?“
„Winnetou tut alles, was sein Bruder Shatterhand für nötig hält,“ antwortete der Apache.
„Was ich für nötig halte, wirst du unterwegs und auch schon jetzt erfahren. Wir haben keine Zeit, eine lange Beratung zu halten. Hört, was zunächst geschehen muß!“
Ich trat zur Seite, so daß der Player nicht hören konnte, was gesprochen wurde, und sagte zu dem kleineren Sohne des ‚Starken Büffels‘:
„Mein kleiner, roter Bruder hat gehört, was der Player auf meine Fragen antwortete. Er mag sich auf sein Pferd setzen und schleunigst ausrichten, was ich ihm auftrage. Es gilt zunächst, die vier Yumaposten unterwegs aufzuheben und dazu die zwanzig Mann, welche bei der Fuente stehen. Dazu genügen dreißig Krieger. Mein Bruder reitet zu denen, welche die Herden bringen und holt diese dreißig, welche uns schnell zu folgen haben. Neunzehn bleiben bei den Herden, und einer reitet zum ‚Starken Büffel‘, um ihn um hundert Krieger zu bitten, welche uns so rasch wie möglich nach Almadén nachzufolgen haben. Jetzt fort!“
Der brave Knabe rannte schon mit gleichen Beinen zu seinem Pferd; zwei Minuten später galoppierte er davon. Eine halbe Stunde darauf waren auch wir drei unterwegs, den Player, auf sein Pferd gebunden, in unserer Mitte, also vorerst drei Personen gegenüber dreihundert Feinden. Aber es galt, die Landsleute vor einem entsetzlichen Schicksal zu bewahren; da konnte es weder ein verderbliches Zögern, noch ein ängstliches Abwägen der uns übermächtigen Verhältnisse geben.
SECHSTES KAPITEL
Der Gefahr entgegen
Wir befanden uns jetzt also unterwegs nach dem alten Quecksilberbergwerk Almadén alto und mußten über die Fuente de la Roca kommen. Fuente heißt Quelle und Roca Felsen, Fuente de la Roca ist folglich soviel wie Felsenquelle. Da Winnetou dieselbe kannte, brauchte ich nicht die Besorgnis zu hegen, von dem Player falsch geführt zu werden; wir konnten uns nicht verirren. Aber in Beziehung auf die unterwegs aufgestellten Posten mußten wir uns auf seine Aussage verlassen können. Es standen da zwar bloß je fünf Mann, und eine so geringe Anzahl brauchten wir nicht zu fürchten, wenn wir nur die Stelle kannten, an welcher sie sich befanden. Wenn er uns dieselbe aber falsch angab, konnten wir von ihnen leicht überrumpelt werden. Es galt also, ihn so in Respekt zu setzen, daß er es nicht wagte, den Versuch, uns zu täuschen, zu machen.
Die Fuente, an welcher zwanzig Yumas standen, war zwei
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