37 - Satan und Ischariot I
Abgrund kommt, dessen Breite man nicht zu ermessen vermag.“
„Ist er tief?“
„So tief, daß man einen Stein, den man hinabwirft, nicht unten auftreffen hört. Rechts gibt es eine kleine Nebenhöhle, welche voller Wasser steht. Ich habe es versucht; es ist trinkbar und sehr kühl.“
„Natürlich wissen Eure Freunde auch von dieser Höhle?“
„Kein Wort! Ich habe ihnen nichts gesagt, denn ich hatte – – –“
Er hielt inne. Er schien jetzt mehr gesagt zu haben, als er eigentlich wollte.
„Weiter! Denn ich hatte – – –?“
„Ich hatte meine Gründe dazu“, vervollständigte er sich. „Ich brauchte einen solchen Ort für mich allein.“
„Wozu?“
Er gab nicht sofort Antwort. Da er nachsann, vermutete ich, daß er die Wahrheit nicht sagen wollte und auf eine Ausrede dachte. Dann erklärte er:
„Mein Grund wird Euch beweisen, daß ich wirklich kein schlechter Mensch bin. Ich dachte an die deutschen Arbeiter. Vielleicht konnte es mir gelingen, einen oder einige von ihnen zu befreien; ich brauchte ein Versteck, um sie zu verbergen, und da kam mir die Höhle als ungemein passend vor. Darum sagte ich nichts von ihr.“
„Das macht Euerm guten Herzen allerdings alle Ehre. Wann habt Ihr sie denn entdeckt?“
„Schon als ich vor einem Jahre zum erstenmal oben war.“
„Ihr wart von Melton geschickt worden und habt ihm nach Eurer Rückkehr natürlich Bericht erstattet?“
„Ja.“
„Damals habt Ihr doch noch nichts von den deutschen Arbeitern gewußt?“
„Nein.“
„Und wollt ihm doch gerade wegen dieser die Höhle verheimlicht haben! Ihr seht, daß man mit Euern Versicherungen vorsichtig umzugehen hat. Ihr habt einen ganz anderen Grund gehabt, von der Höhle zu schweigen; ich will aber nicht in Euch dringen, ihn mir zu sagen, da er mir sehr gleichgültig sein kann. Aber laßt dies den letzten Versuch sein, mir Schwarz für Weiß vorzumachen! Ich bin nicht der Mann, der so leicht zu täuschen ist, und würde das nächste Mal nicht so bereitwillig sein wie jetzt, mich zufriedenzugeben.“
Den eigentlichen Grund für seine Geheimhaltung der Höhle glaubte ich erraten zu können. Er hatte wohl die Absicht gehabt, seine Kompagnons zu bestehlen und das entwendete Quecksilber und Zinnober in der Höhle zu verbergen, bis sich Gelegenheit finden würde, es unbemerkt fortzuschaffen. Daß er sich sträubte, mir dies zu gestehen, war kein Beweis, daß er es unehrlich in Beziehung auf seine mir gemachten Versprechungen meinte. Darum fühlte er sich durch meine letzten Worte beunruhigt und entschloß sich, um mein Mißtrauen zu zerstreuen, mir einen Umstand mitzuteilen, den ich noch nicht kannte und welcher für mich höchst wertvoll war.
„Ich mache Euch weder Schwarz für Weiß noch Weiß für Schwarz vor“, sagte er. „Ich gebe zu, daß Ihr Ursache habt, mir zu mißtrauen; aber es kann Euch doch nichts nützen, Dinge zu erfahren, welche mit Euern Absichten nicht in Zusammenhang stehen.“
„Das weiß ich wohl, und darum bin ich nicht in Euch gedrungen, mir wegen der Höhle die Wahrheit zu sagen. Ich meine nur, daß Ihr Euch hüten sollt, mich in Dingen, die mich angehen, täuschen zu wollen. Ihr wißt, daß von Euerm Verhalten Euer Leben abhängt.“
„Es fällt mir nicht ein, Euch zu täuschen. Mein Leben ist mir lieb; ich will es mir erhalten und werde Euch darum ehrlich dienen. Dafür will ich Euch den vollgültigen Beweis geben, indem ich Euch etwas verrate, was Euch jedenfalls freudig überraschen wird.“
„Was?“
„Da oben im Almadén gibt es weder Gras noch Baum, und so muß alles, was man zur Nahrung braucht, weit hergeschafft werden. Wie Melton überhaupt für alles schon vorher gesorgt hat, ehe die Hazienda ihm gehörte, so hat er auch Proviant gekauft, welcher in fünf Maultierwaren von Ures nach Almadén gegangen ist.“
„Das zu hören, ist mir allerdings sehr wichtig. Wer führt den Transport? Denn ich nehme an, daß die Fuhrleute den Weg nach Almadén nicht kennen.“
„Melton hat ihnen einige Indianer entgegengeschickt.“
„Habt Ihr die Leute mit ihren Wagen und Maultieren gesehen?“
„Nein, denn sie haben einen Weg eingeschlagen, auf welchem sie nicht auf mich treffen konnten. Der Weg, welcher über die Hazienda führt und den auch Ihr bis jetzt benutzt habt, ist für Fuhrleute stellenweise nicht passierbar; darum mußten diese Wagen einen anderen einschlagen, welcher weiter südlich liegt und länger ist, dann aber mit dem unsrigen
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