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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ihr denkt, wird es wohl nicht werden. Mit den dreihundert Yumas, welche es in Almadén gibt, nehmen wir es gern auf.“
    „Dreihundert – – –? Wie, Ihr wißt – – –?“
    „Ja, wir wissen sehr genau, was uns in Almadén erwartet und was Ihr uns so klug verschweigen wollt. Ich sage Euch, nicht mein Leben schwebt in Gefahr, sondern das Eurige hängt an einem Faden. Ihr befindet Euch sehr im Irrtum, wenn – – –“
    Ich hielt mitten in der Rede inne, denn in diesem Augenblick erscholl von dem Wagen, in welchem sich der Herkules befand, ein überlauter, ein gräßlicher Schrei. Ich eilte hin. Der Verwundete saß aufrecht unter dem aufgespannten Wagentuch, stierte mit blutunterlaufenen Augen heraus und schrie:
    „Gib sie her; gibt sie her! Judith, Judith, folge mir; er betrügt dich doch!“
    Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, daß man es fünfzehn Schritte weit hörte. Er war zwar erwacht, aber noch nicht bei Sinnen und phantasierte von seiner Geliebten.
    Ich ergriff seine beiden Fäuste, hielt dieselben sanft, aber fest und redete ihm gütlich zu. Er lauschte. Seine Augen nahmen nach und nach einen anderen Ausdruck an, und im klagenden Ton sagte er:
    „Er betört sie; er betört sie! Sie denkt nicht an seine Schlechtigkeit, sondern an sein Geld.“
    Indem ich ihm weiter zuredete, beabsichtigte ich, ihn zu beruhigen; aber die Wirkung war nicht die erwünschte.
    „Wer spricht da?“ fragte er zornig. „Ich kenne Sie! Sie wollen mir Vorwürfe machen. Sie haben mich gewarnt, und ich habe es nicht beachtet. Nun habe ich den Lohn. Melton hat mir Judith genommen, und Weller hat – – –“
    Er stockte. Der letztgenannte Name erweckte eine neue Vorstellung in ihm.
    „Weller!“ schrie er dann. „Wo sind sie? Wo sind die beiden Weller? Der Alte hielt mich fest, und der Junge schlug mich nieder. Wo, wo sind sie, damit ich sie erwürgen, erdrosseln kann!“
    Das Bewußtsein war ihm mit einemmal zurückgekehrt. Er sah mich an; er sah an mir vorüber, zum Wagen hinaus. Da fiel sein Blick nach der Richtung, in welcher der junge Weller lag; er erkannte ihn und stieg mit der Eile eines Wütenden aus dem Wagen. Ich wollte ihn halten, aber meine Kraft reichte nicht aus. Winnetou faßte ihn auch, doch vergeblich, denn im gegenwärtigen Zustand vervielfältigten sich seine Kräfte in einer Weise, daß er uns beide mit Leichtigkeit abschüttelte. Dabei brüllte er:
    „Dort, dort liegt er, der Mörder, der mich aus dem Schlaf weckte und dann niederschlug. Ich zermalme ihn!“
    Er sprang auf Weller, der vor Angst aufschrie, zu, warf sich auf ihn und krallte ihm die beiden Hände um den Hals. Wir wollten ihn wegreißen – vergebliches Beginnen! Bei seiner jetzigen Aufregung hätten ihn, wie man zu sagen pflegt, zehn Pferde nicht fortzuziehen vermocht. Er hielt den Hals seines Feindes wie mit Eisenklammern umfaßt und stieß dabei Laute aus, welche nicht mit der Stimme eines Tieres und noch viel weniger mit derjenigen des Menschen verglichen werden konnten. Wir zogen und zerrten an ihm; er achtete es nicht. Das Gesicht Wellers nahm eine dunkle und immer dunklere Färbung an; er war am Ersticken. Da nahmen wir alle unsere Kräfte zusammen und zerrten den Herkules auf, aber mit ihm auch Weller, dessen Hals er so fest wie zuvor umklammert hielt. Wir versuchten, seine Finger zu lösen, vergeblich, bis ich auf den Gedanken kam, ihn durch Schmerzen von Weller abzubringen. Ich gab ihm also einen, allerdings nur leisen Schlag auf den Kopf, und sogleich ließ er den anderen los und griff mit beiden Händen nach der Stelle, welche ich berührt hatte. Er stand da, vor Schmerz schreiend; sein Geschrei ging in Wimmern über; dann knickte er langsam zusammen, kam auf die Erde zu liegen, schloß die Augen und war still. Der übergroßen Aufregung war eine ebenso große Ermattung gefolgt. Als ich ihn so daliegen sah, fiel mir auf, was ich vorher nicht so beachtet hatte, nämlich sein elendes Aussehen, welches von seine Verwundung allein nicht herrühren konnte.
    Natürlich untersuchten wir nun den Gewürgten. Er war tot, erwürgt von den Händen dessen, den er für tot, für ermordet gehalten hatte. Wie schnell und wie schrecklich war mein Wort, welches ich ihm in ganz anderer Voraussetzung gesagt hatte, in Erfüllung gegangen: „Nicht mein Leben schwebt in Gefahr, sondern das Eurige hängt an einem Faden!“
    Wir bedauerten es, daß es so gekommen war, fühlten aber kein Mitleid mit dem Toten. Er wurde

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