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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Paragraphen. Der Inhalt desselben lautete ungefähr: Der Arbeiter bekommt freie Überfahrt, Reise und gute Verpflegung bis an Ort und Stelle und verpflichtet sich, auf der Besitzung Timoteo Pruchillos resp. dessen etwaigem Rechtsnachfolger täglich acht Stunden gegen einen Tagelohn von anderthalb Pesos und freie Station zu arbeiten. Nach sechs Jahren erlischt der Kontrakt.
    Ich war erstaunt. Das war nicht nur ehrlich, sondern sogar sehr anständig, da bei diesem Tagelohn der Arbeiter imstande war, sich jährlich gegen zweitausend Mark zu sparen. Jetzt wunderte ich mich nicht mehr darüber, daß es dem Agenten gelungen war, für die weltentlegene Hazienda eine Gesellschaft von dreiundsechzig Köpfen zusammenzubringen. Ich sah ein, daß mein Mißtrauen ein unbegründetes gewesen war. Wirklich unbegründet? Pruchillo meinte es ehrlich; aber war auch der Mormone ein Ehrenmann? Warum nicht? Hatte ich denn Beweise gegen ihn? War ich nicht vielleicht durch allerdings vielfältige Erfahrungen allzu vorsichtig und mißtrauisch geworden? Stand Melton nicht im Begriff, mir eine Wohltat zu erweisen, welche, selbst wenn ich ihrer nicht bedürftig war und sie also nicht annehmen konnte, mich ihm doch zu großem Dank verpflichten mußte? Ich wurde irre an mir und kam bis zum Abend zu dem Entschluß, in Lobos auszusteigen und allein meines Weges zu gehen, da die Auswanderer auf der Hazienda ganz vorzüglich aufgehoben waren. Da aber ereignete sich etwas, wodurch diese Ansicht widerlegt und dieser Entschluß vollständig über den Haufen geworfen wurde.
    Nach dem Abendessen fiel mir nämlich auf, daß die Auswanderer alle aufgefordert wurden, sich in ihre Schlafkojen hinabzuverfügen. Auch ich wurde von dieser Maßregel nicht ausgenommen. Da es Abend geworden war, die Sonne nicht mehr brannte und im Gegenteil ein kühles Lüftchen wehte, wären die Leute noch sehr gern eine Weile auf Deck geblieben; sie mußten sich aber natürlich fügen. Aus den verwunderten Gesichtern, welche sie zu diesem ihnen erteilten Befehl machten, ersah ich, daß die Maßregel eine neue war und sie bisher des Abends und wohl auch des Nachts ganz nach Belieben im Freien hatten bleiben dürfen. Ich erfuhr dies auch sofort, als ich als der letzte, denn ich hatte gezögert, bis keiner mehr oben war, in meine Koje kam und von dem Athleten mit den mürrischen Worten empfangen wurde:
    „Was fällt dem Master Harry Melton ein, uns herabzuschicken! Haben Sie eine Ahnung davon, weshalb er es getan hat?“
    „Nein.“
    „Hole ihn der Teufel! Wenn man sich des Tages über von der Sonne verbrennen ließ oder hier unten in dem dumpfen Loch zubringen mußte, ist es eine Wohltat und sogar ein Bedürfnis, des Abends in der freien, frischen Luft zu sein. Das haben wir bisher stets gedurft.“
    „Wirklich? Diese Einrichtung ist also eine neue?“
    „Ja. Und ich bin überzeugt, daß sie von Melton ausgeht.“
    „Warum glauben Sie dies?“
    „Erstens, weil man uns herabschickt, seit er sich an Bord befindet, und zweitens, nun, der zweite Grund ist ein etwas unklarer, und ich will lieber schweigen.“
    „Sie schweigen, weil Sie kein Vertrauen zu mir haben?“
    „Erwarten Sie es anders? Sie sind erst vor so kurzer Zeit zu mir hereingekrochen und können also nicht verlangen, daß ich Ihnen schon alle meine Gedanken mitteile.“
    Da mir daran lag, seine Gedanken zu erfahren, antwortete ich:
    „Sie fürchten sich also vor dem Mormonen und schweigen nur deshalb, weil Sie denken, daß ich ihm ihre Worte mitteile.“
    Ich hatte ihn richtig beurteilt, denn noch hatte ich kaum ausgesprochen, so fuhr er mich an:
    „Was fällt Ihnen ein! Ich mich fürchten? Ich möchte den Menschen sehen, der imstande wäre, mir Angst einzujagen. Und vor diesem Kerl, welcher zwar mit den Leuten schöntut und sogar gleich in den ersten Stunden beginnt, der Judith den Hof zu machen, dabei aber den Schalk im Nacken hat, ist mir erst recht nicht bange.“
    Diese Worte sagten mir, daß er nicht nur mißtrauisch, sondern sogar eifersüchtig gegen den Mormonen war. Ich durfte hoffen, unter Umständen an ihm einen Verbündeten gegen den letzteren zu haben. Ich konnte also gegen ihn ein wenig aufrichtiger sein, als ich sonst nach so kurzer Bekanntschaft gewesen wäre. Darum sagte ich:
    „Warum lassen Sie mich da glauben, daß Sie sich vor ihm scheuen? Warum reden Sie nicht offen zu mir, der ich Ihnen in aller Aufrichtigkeit sage, daß ich den Mormonen trotz seiner auffälligen Bemühungen, sich beliebt

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