37 - Satan und Ischariot I
und Ohren im verborgenen spielen zu lassen.“
„Mag sein. Aber was die Zeit und den Ort betrifft, so kenne ich beide genau. Zeit: heute, und Ort: oben das Deck. Hat der Mormone heimlich mit dem Wärter zu reden, so wird er dies tun, wenn es dunkel ist und wenn er glaubt, daß man es nicht bemerken wird. Er logiert eigentlich neben dem Kapitän, der sich wohl bald in seine Kajüte zur Ruhe begeben wird. Man weiß, wie dünn die Zwischenwände sind. Ließ der Mormone den Wärter heimlich in die Kajüte kommen, so müßte er befürchten, von dem Kapitän beobachtet zu werden. Er muß sich also einen anderen Ort suchen.“
„Wo denn?“
„Haben Sie denn nicht gesehen, daß man vorhin oben ein kleines Zelt errichtet hat? Wozu sollte dasselbe dienen? Für wen kann es sein! Doch nur für den Mormonen. Er wird gesagt haben, daß er lieber auf dem Deck als in der dumpfen Kajüte schlafe.“
„Und da wollen Sie die beiden belauschen?“
„Wenigstens habe ich große Lust dazu.“
„Lassen Sie das sein, lieber Herr! Es könnte Ihnen schlecht bekommen. Wenn der Pudel über den Milchtopf gerät, der ihm verboten ist, bekommt er die Peitsche.“
„Ja; aber ich bitte sehr höflich, zu bemerken, daß ich kein Pudel bin und daß auch selbst ein Pudel nicht jedesmal erwischt wird. Haben Sie bemerkt, daß das Zelt aus dem Reserve-Großsegel errichtet worden ist?“
„Ich weiß nicht, wie die Segel alle heißen, habe aber gesehen, daß dieses so groß war, daß es nicht nur vollständig für das Zelt reichte, sondern hinter demselben auch noch eine Rolle bildet. Es mag also ein Großsegel sein.“
„Das ist's ja, was ich meine. Zum Zelt hat das halbe Segel genügt. Die andere Hälfte ist hinter demselben zusammengerollt. Unter dieser Rolle oder diesem Knäuel findet ein Mann sehr gut Platz, und wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich da schlafen.“
„Eine tolle Idee! Man wird Sie entdecken, wenn Sie husten oder niesen!“
„Ich werde beides bleiben lassen.“
„Sie scheinen Ihrer Nase sehr sicher zu sein. Aber selbst wenn man Sie nicht erwischen sollte, werden Sie sich vergeblich Mühe geben. Noch wissen Sie nicht, ob das Zelt wirklich für den Mormonen bestimmt ist, und falls Ihre Voraussetzung richtig sein sollte, ist es noch hundertmal fraglich, ob der Wärter dorthin kommen wird.“
„Das müßte ich mir gefallen lassen, doch bin ich der Meinung, daß die Mühe, welche ich mir geben werde, nicht vergeblich sein wird. Ich habe so eine Ahnung, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß meine Ahnungen mich selten getäuscht haben.“
„Na, dann will ich Ihnen weder zu- noch abreden. Wenn Ihre Idee Ihnen tüchtige Matrosenhiehe einbringt, so ist's nicht mein Rücken, der sie auszuhalten hat.“
Ich gebe zu, daß das, was der Athlet ‚Ihre Idee‘ nannte, ein sehr fragwürdiges Geisteserzeugnis war, aber es lag mir, sozusagen, in den Fingerspitzen, daß ich diesen Gedanken ausführen müsse. Ich verließ also unsere Koje, um mich nach dem Deck zu schleichen. Das war nicht leicht. Die Kojen waren voneinander und von dem engen Gang, durch den ich mußte, durch fast papierdünne Scheidewände getrennt; die Insassen konnten mich also leicht hören. Das war aber das wenigste. Viel bedenklicher war die Begegnung mit einer Person der Schiffsbemannung oder gar mit einem der beiden, die ich belauschen wollte. Doch kam ich, ohne auf jemand zu treffen, bis an die Luke, welche sich vom Raum aus auf das Deck öffnete. Indem ich auf der Treppe stehenblieb und nur den Kopf vorsichtig hervorstreckte, konnte ich, obgleich es nicht sehr hell war, die zwischen mir und dem Zelt liegende Strecke überblicken. Sie war frei.
Hinten gab der Kapitän dem Steuermann Befehle für die Nacht. Er stand also im Begriff, sich schlafen zu legen. Die Stimme des Mormonen sprach einige Worte drein; er befand sich folglich auch mit am Steuer. Vorn, in der Nähe des Bugs, schwatzten und lachten die wenigen Matrosen; sie konnten mich nicht sehen. Ich schwang mich also schnell aus der Luke und huschte nach dem Zelt hin, um mich unter der übriggebliebenen Hälfte des Segels, aus welchem dasselbe gebildet war, zu verbergen. Das war in Zeit von nicht einer Minute geschehen. Ich lag zwar auf dem harten Deck, aber sonst ganz bequem und wurde von dem Segel so bedeckt, daß mich niemand sehen konnte. Mein Versteck war ein ganz vorzügliches; nur fragte es sich, ob dasselbe mir auch den erwarteten Nutzen bringen werde. Geschehen konnte mir nichts. Im
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