39 - Satan und Ischariot III
draußen gehenden Wind hin und her bewegt; das machte unsere Beobachtung natürlich schwer.
Da sah ich zwischen seinem unteren Rand und dem Erdboden die Mündung eines Gewehres erscheinen; sie wurde höchstens zwei Zoll weit hereingesteckt; da flog aber auch schon die Silberbüchse an Winnetous Wange; sein Schuß krachte und draußen erscholl ein Schrei. Die Gewehrmündung wurde zurückgezogen.
„Der das versucht hat, kommt nicht wieder“, lachte Emery. „Die Kerle sind wirklich Prügel wert! Uns hier fangen zu wollen!“
„Meinen Sie, daß ihnen dies nicht gelingt?“ fragte Vogel.
„Keine Rede davon! Wir brauchen uns nur an die Tür zu legen und das Feuer ausgehen zu lassen, daß sie uns nicht sehen können, so putzen wir einen nach dem anderen von ihnen weg.“
„Noch besser ist's, wir steigen auf das Dach“, bemerkte ich. „Da haben wir Aussicht nach allen Seiten.“
Winnetou nickte. Die Decke war nicht mehr als fünf Ellen hoch. Man konnte, um die unserigen zu schonen, mit der Flinte des Indianers ein Loch hineinstoßen. Doch mußten wir vorher das Feuer ausgehen lassen, sonst hätte dasselbe zum Loch hinausgeleuchtet und unsere Absicht verraten. Als es nicht mehr brannte, nahm Emery die Flinte von der Wand und begann zu arbeiten. Winnetou sollte ihm helfen, ihn ablösen. Ich ging zur Tür, um etwaige Überraschungen fernzuhalten.
Ich lag auf dem Boden und schob den Kopf langsam zwischen der Mauer und dem Ledervorhang hinaus. Vor der Tür war niemand. Ich blickte nach rechts, an der äußeren Mauer hin – niemand war zu sehen! Nach links – ah, da kam einer geschlichen, langsam, leise, nach echter Indianerweise. Ich wartete, bis er nur noch drei Fuß von der Tür entfernt war, fuhr dann blitzschnell hinaus, nahm ihn mit der linken Hand bei der Brust, gab ihm mit der rechten acht, zehn, zwölf schallende Ohrfeigen rechts und links und schleuderte ihn dann weit fort, wo er zu Boden flog. Es war ein Indianer; er hatte sein Gewehr, welches er in der Hand hielt, fallen lassen; ich hob es auf und nahm es mit ins Haus. Der Mann kam gewiß auch nicht sogleich wieder. Hätte es sich nicht um mehr gehandelt, so wäre mir die Ohrfeigenszene höchst spaßhaft erschienen. Übrigens hatte es aufgehört zu regnen, und der Himmel begann sich wieder aufzuklären. Nach kurzer Zeit war in der Decke ein so großes Loch entstanden, daß wir hindurchsteigen konnten. Wir drei anderen kamen von Emerys Schultern leicht auf das Dach, und der letztere wurde dann heraufgezogen. Natürlich standen wir nicht aufrecht da oben, sondern bewegten uns nur kriechend, sonst wären wir beim Schein der jetzt wieder sichtbaren Sterne entdeckt worden. Wir verteilten uns. Ich nahm die vordere, Winnetou die hintere, Emery die rechte und Vogel die linke Giebelseite des Hauses.
Als ich mich vor die Kante geschoben hatte und da hinabblickte, sah ich fast gerade unter mir zwei Kerle stehen. Um ihnen nicht lebensgefährlich zu werden, schickte ich ihnen nur zwei Revolverschüsse hinab. Sie schrien vor Schreck über den so unerwarteten Angriff laut auf und rannten eiligst davon. Auf der hinteren Seite fiel jetzt ein Schuß aus Winnetous Silberbüchse, und dann ertönte seine sonore Stimme durch die Nacht:
„Fort von den Pferden, sonst trifft der nächste Schuß gerade in den Kopf!“
Da hinten lag nämlich am Haus der eingefriedigte Platz, auf welchem wir unsere Pferde untergebracht hatten. Eben als der Apache seine Wache begann, hatte man sie fortschaffen wollen. Auch auf den beiden anderen Seiten wurde geschossen. Die Kerle schlichen eben um das ganze Haus herum; nun aber zogen sie sich soweit wie möglich von demselben zurück. Ihre Absicht, sich unser zu bemächtigen, war schmählich mißglückt. Es wagte sich keiner mehr heran, und als es Tag geworden war, ließ sich kein Mensch in der weiten Umgebung sehen.
Wir stiegen wieder hinab. Da lag die Frau noch da, wo sie gestern abend gelegen hatte. Sie schien mit keiner großen Zuneigung an ihrem Mann zu hängen. Winnetou ging zu ihr hin und fragte:
„Warum ist meine rote Schwester nicht hinaus zu ihrem Mann gegangen?“
„Weil sie nichts mehr von ihm wissen will“, antwortete sie. „Señores, schenkt mir ein wenig Geld, damit ich zu meinem Stamm zurückkehren kann!“
„Du willst nach der Sonora hinab?“ fragte ich erstaunt.
„Ja, Señor.“
„Und wahrscheinlich ganz allein den weiten Weg mitten zwischen so viele fremde Stämme hindurch!“
„Ich fürchte die Stämme
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