39 - Satan und Ischariot III
lang, daß sie, wenn wir sie zusammenbinden, bis hinunter auf die oberste Plattform des Pueblo reichen werden.“
„Wie aber befestigen wir sie oben?“
„Es steht ein Baum hart am Rand, dessen Wurzeln so fest sind, daß er uns halten wird. Hoffentlich stimmt mein Bruder meinem Vorschlag bei, heute abend hinunter zu klettern?“
„Ja, ich stand ja im Begriff, dir denselben Vorschlag zu machen. Was tun wir aber bis zu der Zeit, in welcher wir ihn ausführen können?“
„Kann sich mein Bruder die Frage nicht selbst beantworten?“
„Vielleicht. Es gilt vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß die Feinde nicht erraten, was wir zu tun beabsichtigen.“
Winnetou nickte mir einverstanden zu und sagte:
„Ja, wir müssen ihre Aufmerksamkeit von hier oben ablenken. Wie denkt mein Bruder, daß das am besten geschehen kann?“
„Wir müssen sie zu der Ansicht bringen, daß wir sie unten am Fluß angreifen werden.“
„Richtig! Sie müssen glauben, daß wir uns durch die Enge an das Pueblo schleichen wollen. Um diese Absicht zu erreichen, müssen wir hinab zu ihnen.“
„Jetzt schon?“ fragte Emery.
„Ja“, antwortete der Apache. „Sie sollen und müssen uns doch sehen, oder wenigstens müßten sie bemerken, daß wir uns da unten aufhalten.“
„Das ist aber viel zu gefährlich. Wenn wir uns ihnen zeigen, werden sie uns einfach wegschießen.“
„Das könnten sie nur dann, wenn wir ihnen so nahe kämen, daß uns ihre Kugeln erreichen könnten. Das werden wir aber nicht tun.“
„Es liegt ja ein Teil von ihnen im Hinterhalt; diese Leute müssen uns kommen sehen, während wir nicht wissen, wo sie stecken; wir können ihnen also geradezu in die Hände laufen.“
„Nein, denn wir haben Augen und auch Ohren. Und vielleicht weiß die Frau, wo der Hinterhalt zu suchen ist.“
Als wir uns darauf bei ihr erkundigten, antwortete sie:
„Wenn ihr wieder mit nach unserem Hause zurückkehrt und der Fährte folgt, welche da gemacht worden ist, damit ihr sie leicht sehen sollt, so kommt ihr an einen kleinen Bach, welcher sich in den Flujo blanco ergießt. Dort wollten sie sich trennen. Die eine Abteilung wollte am Flujo aufwärts nach dem Pueblo gehen, und die andere sollte dem Bach soweit folgen, daß sie von euch nicht gesehen werden kann; sie liegt zwischen Büschen versteckt.“
„Und wartet wahrscheinlich jetzt mit Schmerzen auf uns“, fügte ich hinzu; „denn die erste Abteilung ist am Pueblo angekommen; wir sehen die Krieger da unten liegen. Wollen wir die Herrschaften noch länger auf uns warten lassen?“
„Nein, wir reiten jetzt hinunter nach dem Fluß“, meinte Winnetou. Und sich zu der Frau wendend, fuhr er fort:
„Meine Schwester wird es ehrlich mit uns meinen?“
„Ja“, antwortete sie einfach und mit einem Gesicht, dem man es ansah, daß sie die Wahrheit sagte.
„Da sollst du belohnt werden. Wenn wir die beiden weißen Männer durch List und ohne Kampf in die Hände bekommen, so geben wir dir noch mehr Gold, als du schon erhalten hast. Werden wir aber durch dich verraten, so wird die erste Kugel, welche wir abschießen, dich treffen. Das glaube mir! Wir belohnen gern; wir wissen aber auch zu bestrafen!“
„Ich will heimlich fort von hier, aber den Meinen nicht schaden. Ihr wollt sie nicht töten, sondern schonen, und ihr gebt mir Gold, daß ich leichter nach der Sonora kommen kann; darum habe ich euch freiwillig gesagt, was ihr wissen wolltet, und werde euch nicht verraten.“
„So mag meine Schwester jetzt nach ihrem Haus zurückkehren.“
Sie wollte der Aufforderung folgen, aber wir wußten doch noch etwas nicht, was von großer Wichtigkeit war; selbst der sonst so umsichtige Winnetou hatte vergessen, sich danach zu erkundigen; darum fragte ich sie:
„Du kennst wohl die Räume des Pueblo genau?“
„Alle.“
„Weißt du, wo die weiße Squaw wohnt, welche mit dem Wagen angekommen ist?“
„In der ersten Etage des Pueblo.“
„Wo ist der Eingang zu ihr?“
„Auf der zweiten Terrasse von unten. Es ist ein Loch, durch welches eine Leiter hinunterführt. Das Loch befindet sich in der Mitte der Plattform.“
„Also in der ersten Etage. Da wohnen die Indianer wohl unter ihr in dem Erdgeschoß?“
„Nein.“
„Zu was wird dasselbe benutzt?“
„Zur Aufbewahrung der Vorräte, des Maises und der anderen Früchte und Gemüse, die im Tal angebaut werden. Auch ist der Brunnen dort.“
„Ich sehe ihn. Es ist eine Zisterne?“
„Nein; das Wasser kommt vom Fluß
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