39 - Satan und Ischariot III
denke doch, wie hübsch wir sie täuschen! Sie schauen und horchen den Bach hinunter, weil sie denken, daß wir am Fluß aufwärts gehen oder, wenn wir die zweite Fährte entdecken sollten, am Bach hinauf kommen; in beiden Fällen würden wir ihnen gerade in die Arme laufen. Nun aber befinden wir uns über ihnen und kommen von einer Seite, von der sie uns nicht erwarten.“
„Nun, und dann, was haben wir davon?“
„Was wir davon haben?“ fragte ich erstaunt. „Welche Frage!“
„Du wunderst dich über sie? Du willst den Roten doch nichts tun! Ja, wenn wir sie erschießen wollten oder dürften, so hätte es doch einen Zweck, hier in der Hitze herumzuklettern und unter Lebensgefahr herumzuschleichen. Wenn ihnen aber nichts geschehen soll, so können wir sie nur erschrecken und müssen sie dann laufen lassen.“
„Ja, sie, aber einen anderen nicht, den alten Melton. Den werden wir fassen, falls es möglich ist; dann haben wir heut abend nur noch seinen Sohn zu ergreifen. Bist du nun zufriedengestellt?“
„Wenn es so ist, ja. Daß es dem alten Melton gelte, davon habt ihr nichts gesagt.“
„Weil es sich von selbst verstand. Nun aber weiter, sonst werden die Kerle ungeduldig und sind imstande, ihr Versteck zu verlassen.“
Wir schlichen weiter, jetzt nicht mehr gehend, sondern auf dem Boden kriechend; jeder Augenblick konnte uns die Gesuchten zeigen.
„Uff!“ hörte ich da auf einmal den Apachen im Ton des Erstaunens sagen.
Er war uns einige Schritte voran, hatte sich erhoben, stand an einem dichten Strauch und deutete daran vorüber nach dem lichten Platz, der vor ihm lag. Wir huschten zu ihm hin und wurden von gleicher Verwunderung oder vielmehr Enttäuschung ergriffen. Das Gras des Platzes war niedergetreten; hier hatten die Yumas gesteckt, aber keiner von ihnen war zu sehen.
„Fort!“ meinte Winnetou.
„Ja, wenn es nämlich keine Finte ist“, warnte ich. „Es ist möglich, daß sie unser Kommen bemerkt und sich nur zurückgezogen haben, um uns mit ihren Kugeln zu empfangen.“
„Wollen sehen“, meinte der Apache. „Meine Brüder mögen hier ein wenig warten.“
Er ging eine Strecke zurück, sprang dann über den Bach und kam dann auf der anderen Seite wieder herangekrochen. Dort gab es so viel Gesträuch und Gestrüpp, daß die Yumas, falls sie vor uns steckten, ihn nicht sehen konnten. Er kam wie eine Schlange drüben vorüber und verschwand dann auf ungefähr zehn Minuten. Dann kehrte er zurück. Er ging dabei aufrecht, ein Zeichen, daß er keinen Feind gesehen hatte.
„Fort“, rief er uns schon von weitem zu. „Über den Fluß. Ich konnte ihre Spuren sehen, bis sie im Wasser verschwanden.“
„Fatal!“ zankte da Emery. „Sie sind jedenfalls hinauf nach dem Pueblo, weil ihnen die Geduld ausgegangen ist. Mit der Ergreifung des alten Melton ist es also nichts.“
„Wenn es nur das wäre, wollte ich es loben!“ meinte ich.
„Nur das? Was weiter könnte denn geschehen sein?“
„Sie sind über den Fluß; wenn sie da unsere Fährte sehen, so – – –“
„Alle Wetter, ja! Dann sind sie derselben nach. Sie werden also am Ufer abwärts gehen, das Ufer ersteigen und, geradeso wie wir, nach dem Bach kommen. Wir brauchen also nur hier sitzen zu bleiben und sie in Empfang zu nehmen! Glücklicher konnte sich das ja gar nicht lenken!“
„Ich bin nicht so froh wie du. Ja, wenn sie unsere Spur gesehen haben, so sind sie ihr gewiß gefolgt; aber es fragt sich nur, wie! Wenn sie rückwärts gegangen, woher wir gekommen sind, so müssen sie Vogel und unsere Pferde finden.“
„Das wäre das größte Pech, welches wir haben könnten!“
„Mehr als Pech! Wir müssen schnell weiter, um zu erfahren, wohin sie sich gewendet haben.“
Wir eilten den Bach hinab und an den Fluß. Schnell ging es durch das seichte Wasser, und da sahen wir denn auf dem Boden, da, wo der Hohlweg in den Fluß mündete, viel mehr Spuren, als wir vorhin gesehen hatten. Ich betrachtete sie, konnte aber nicht klug werden; Emery ging es ebenso, und auch Winnetou schüttelte den Kopf. Er betrachtete die Eindrücke, maß sie mit den Fingern aus, schüttelte wieder den Kopf und sagte endlich:
„Vielleicht sind die Yumas schon wieder zurück. Meine Brüder mögen mir schnell zu unseren Pferden folgen!“
Wir rannten den Hohlweg hinauf. Oben angekommen, wo es Gras gab, sahen wir zu unserem Schrecken allerdings, daß die Yumas hier gewesen waren; sie hatten unsere Fährte gesehen und waren ihr gefolgt,
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