Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Unglück zu betrauern; sie mußten an sich selbst denken. Für den Augenblick freilich waren sie gesichert. Wanda saß auf der Stelle, wohin er sie gezogen hatte, und hielt sich mit den Händen an den beiden Haltern fest, zwischen denen sie sich befand. Obgleich ihr das Herz zitterte, suchte sie doch ein Lächeln hervorzubringen, um den Geliebten zu beruhigen. Es gelang, und nun wagte Emil den ersten Blick in die Höhe.
    Die Last war verrückt worden, und so hatte sich der Ballon auf die Seite geneigt. Der Professor war nicht zu sehen. War auch er hinabgestürzt, oder – doch nein, die Neigung des Ballons hatte ihn dem Auge Winters entzogen, und gerade jetzt kam er vorsichtig von der anderen Seite heruntergestiegen, um den Erfolg seines Experiments in Augenschein zu nehmen. Mit Schrecken aber bemerkte er, daß nur einer von den drei Leuten fehlte und die beiden anderen sich festgehalten hatten. Aber sie mußten hinunter; denn jetzt war ihr Tod die einzige Rettung für ihn. Er kletterte weiter, bis er über ihnen auf dem Ring stand, welcher sich um den unteren Teil des Ballons legte. Während er sich mit der Linken festhielt, zog er mit der Rechten ein Messer aus der Tasche, öffnete es mit Hilfe der Zähne und bog sich nieder, um die Seile zu zerschneiden, an denen Winter und das Mädchen sich festhielten.
    Letzterer hatte bisher kein Wort gesprochen; jetzt aber griff er in die Tasche und zog ein Terzerol hervor. Er segnete die Mahnung seines Bruders, für den Notfall eine Waffe zu sich zu stecken, und rief drohend:
    „Halt, elender Mörder! Sobald du den ersten Schnitt versuchst, bist du des Todes!“
    Der Angeredete blickte herab. Er sah die Waffe; aber er durfte auf sie keine Rücksicht nehmen. Gehorchte er, so befand er sich in den Händen Winters und war verloren. Ein Schnitt jedoch in das Seil, an welchem dieser sich festhielt, mußte ihm die Sicherheit des Zielens rauben und zugleich ihn in die Tiefe stürzen. Rasch bückte er sich und bewegte die Hand zum Schneiden. Da krachte der Schuß, dessen Schall durch die Dünne der Luft bedeutend abgeschwächt wurde, und der Getroffene zuckte zusammen.
    Die Kugel war ihm in den Oberarm gedrungen und hatte den Knochen verletzt. Einen Schmerzenslaut ausstoßend, ließ er das Messer fallen, schien ins Schwanken zu geraten, raffte sich aber zusammen und klammerte sich mit dem anderen Arm wieder fest.
    „So, du bist mir sicher“, sprach Winter, das Terzerol wieder einsteckend. Dann musterte er, ihm weiter keine Aufmerksamkeit schenkend, das Netzwerk.
    „Die Gondel ist nur mit Hilfe mehrerer Menschenkräfte in ihre frühere Lage zu bringen; ich allein vermag es nicht. Ich werde dich festbinden, damit du für jetzt wenigstens gesichert bist, und dann versuchen, den Ballon zum Sinken zu bringen.“
    Er glitt vorsichtig vorwärts, zog sein Federmesser und schnitt einen der niederhängenden Gondelhalter von dem Ring los, an welchem er befestigt war. Dann kehrte er ebenso behutsam zurück und bildete mit Hilfe des Stricks um Wanda ein Flechtwerk, welches sie vor jedem Fall behüten mußte. Darauf schickte er sich an, nach oben zu steigen. Die Klappenschnur war ihm jetzt unzugänglich, und er mußte die Hälfte des Ballons umklettern, um sie zu erreichen.
    „Wo willst du hin, Emil?“ fragte Wanda, für ihn zitternd; denn jede seiner Bewegungen konnte ihn dem Tod in die Arme liefern.
    „Ich muß die Klappe öffnen, damit wir sinken.“
    „Tue es nicht. Du wirst hinabstürzen.“
    „Es muß geschehen, wenn wir wieder zur Erde kommen sollen. Du darfst nicht Angst um mich haben. Seit ich dich in Sicherheit sehe, bin ich ruhig.“
    Während der letzten Worte zuckte ein flammender Wetterschein tief unter ihnen. Es war, als stände das ganze unter ihnen flutende Luftmeer in Flammen, und kurze Zeit darauf tönte ein leises, rollendes Gemurmel zu ihnen empor.
    „Ein Gewitter. Es war mittags sehr heiß. Aber jetzt dürfen wir nicht sinken, sonst kommen wir mitten in das Wetter hinein und werden von den verschiedenen Strömungen hin und her geschleudert.“
    Diese Strömungen äußerten ihren Einfluß auch auf die äußeren Luftschichten. Zwar boten die unter ihnen sich ballenden Wolken, da sie sich selbst in Bewegung befanden, keinen sicheren Augenpunkt, aber es war trotzdem zu bemerken, daß der Ballon eine andere Richtung eingeschlagen hatte und mit vermehrter Geschwindigkeit vorwärts ging. Die Luftbewegung hatte also ihre Richtung geändert und auch ihre Schnelligkeit

Weitere Kostenlose Bücher