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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verstärkt.
    In einer gesicherten Lage hätte der großartige Anblick des unter ihnen leuchtenden Wetters einen noch nie von oben gehabten fesselnden Genuß gewährt. Jetzt aber waren ganz andere Gedanken zu hegen. Winter arbeitete sich etwas empor bis zu dem Professor, zog sein Taschentuch und versuchte den Arm desselben an das Netzwerk zu befestigen. Es gelang nach einigen vergeblichen Versuchen, bei welchen von beiden Seiten nicht ein Laut gesprochen wurde. Der Verwundete hielt die Augen geschlossen, ob aus Schwäche oder Scham, das war jetzt gleichgültig. Es galt nur, sich den Menschen zu sichern, da seine Aussagen notwendig gebraucht werden konnten.
    Sodann kletterte Emil um den Ballon herum und gelangte auf diese Weise zur Schnur. Ein Blick in die Tiefe zeigte ihm das Gewitter seitwärts und unter sich die reinste Luft.
    Er zog. Das Ventil öffnete sich; mit einem leise pfeifenden Rauschen strömte das Gas heraus, und die Wolken schienen in der Ferne in die Höhe zu steigen. Das war ein Beweis, daß der Ballon fiel. Die erst so glatt angespannte Taffetmasse legte sich nach und nach in Falten, wodurch die Schwierigkeit des Kletterns etwas vermindert wurde; aber durch die Verschiedenheit der hier unten herrschenden Strömungen wurden die Bewegungen des Ballons so Gefahr drohend, daß Winter, um nicht hinabgeschleudert zu werden, sich mit Aufbietung aller Kräfte festklammern mußte.
    Vorsichtigerweise ließ er das Gas nur in einzelnen Zwischenräumen ausströmen, so daß das Sinken langsam vor sich ging, und mit gespannter Aufmerksamkeit richtete er den Blick hinunter, wo sich bald der Anblick der Erde bieten mußte.
    Zwischen einzelnen leichten Wolkenstreifen drangen die Reflexe des niederfallenden Sonnenlichts empor. Die Streifen näherten sich, und als ihre Feuchtigkeit, die sich in Nebelform um die Luftschiffer legte, durchdrungen war, lag die Oberfläche der Erde in von dem Regen erfrischtem Grün unter ihnen.
    Winter strengte die ganze Sehkraft seines Auges an, die Gegend zu erkennen, welcher sie sich nahten. Es war ein dichtbewaldetes Gebirgsvorland, welches in der Ferne einige Dörfer und Flecken zeigte: aber unter ihnen lag dichter Forst, in welchem keine Spur einer menschlichen Wohnung zu entdecken war.
    Gern wäre er wieder um etwas emporgestiegen; aber es war unmöglich, zu dem Sand zu gelangen, und da hier unten die Luft fast bewegungslos war und der Ballon sich langsam und gleichmäßig fortbewegte, so versuchte er vollends niederzugehen.
    An eine Anwendung der hierbei gewöhnlichen Vorrichtungen war allerdings nicht zu denken; aber das Seil, an welchem er vor Beginn der verhängnisvollen Fahrt emporgeklettert war, wurde noch nachgeschleppt und konnte auch jetzt von Nutzen sein.
    Ehe er aber das letztere versuchen wollte, stieg er soweit zurück, daß er Wanda zu Gesicht bekam. Noch saß sie an derselben Stelle und blickte mit angsterfüllten Zügen empor zu dem Punkt, wo sie ihn hatte verschwinden sehen.
    „Bist du wohl, Wanda?“
    „Ja, aber ich bin fast tot vor Sorge um dich.“
    Trotz der bedenklichen Lage, in welcher sie sich befanden, konnte er doch ein Lächeln über diese sich selbst widersprechende Antwort nicht unterdrücken.
    „Sei vorsichtig und halte dich fest. Wir werden gleich den Wald erreichen.“
    Er stieg wieder empor und zog das Ventil. Der Ballon sank und strich im Sinken über die Wipfel der Bäume hin. Winter griff fester zu, um bei einem Ruck nicht herabzustürzen und ließ die Klappe sich schließen. Da – ein Ruck, als sollte der Ballon in die Erde hineingezogen werden, ein Rascheln und Brechen in den Ästen unter ihnen, und dann drehte sich die halb zusammengeschrumpfte Taffetmasse um ihre eigene Achse. Das Seil hatte sich in den Bäumen verwickelt, einen festen Halt gefunden, und so wurde der Ballon gehalten. Aber die Achsendrehung konnte gefährlich werden. Winter zog leise das Ventil auf und gewährte dem Gas einen langsamen und spärlichen Abzug. Ebenso langsam sank der Ballon vollends nieder, legte sich auf die Seite und ward von den Zweigen, in welchen sich das Netzwerk verfilzte, festgehalten.
    Mit einem kräftigen Zug riß er das Ventil weit auf, so daß der Taffet zusammenfiel und sich wie eine Decke auf die Wipfel legte und so eine Unterlage bildete, auf welcher Emil ohne alle Verletzung zu liegen kam.
    „Wanda, Wanda, wo bist du?“ rief er jetzt, da er seine Sorge nun ausschließlich auf sie richten konnte.
    „Hier zwischen den Bäumen hänge ich in

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