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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timm Kruse
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überschwemmen Unmengen an Wasser Norddeutschland.
    Ein Tag mit halber Kraft. Gerüche manifestieren sich unterhalb meiner Stirn. Als hätte sich eine Bratwurst in meinen Nebenhöhlen verirrt. Pure Säfte schmecken so intensiv, als würde ich Konzentrat trinken.
    Nach einer Woche ist Fasten nichts Besonderes mehr. Es macht mir auch nichts mehr aus, wenn Menschen neben mir essen. Ganz im Gegenteil: Die Leute scheinen sich eher durch mich unwohl oder gestört zu fühlen. Als hätten sie ein schlechtes Gewissen. Als würden sie Ratzinger ihre Lieblingsstellung erklären müssen.
    Ich habe mich als Kind immer gefragt, warum meine Mutter uns Essensmanieren beigebracht hat. Jetzt weiß ich’s. Es hat etwas zu tun mit dem Respekt vor den Mitmenschen, vor der Nahrung und den vielen Händen, die sie hergestellt haben.
    Manchmal denke ich, dass ich nie wieder zu essen brauche. Ich fühle mich so wohl ohne Nahrung. Klar. Unbestechlich. Wer keine Nahrung braucht, vermisst sonst auch nichts. Ich brauche höchstens ein Dach über dem Kopf und Kleidung. Alles andere ist Luxus!
    Ich vertrage anscheinend keine Buttermilch. War gerade auf der Toilette, und es fühlte sich an, als hätte ich verklumpte Milch ausgeschieden. Etwas anderes kann eigentlich nicht mehr in meinen Därmen sein.
    Morgen werde ich nicht zur Arbeit gehen. Ich mache mir endlich »meinen« freien Tag hier auf dem Hof. Mit Meditation, Büchern, Musik und – gutem Essen, hätte ich fast geschrieben.

Achter Tag, 8. September
Mohammedaner verschlafen am liebsten den Tag, machen die Nacht zum Tag und holen die verpassten Mahlzeiten in der Nacht fröhlich nach. Angesichts solcher frommen Schwindeleien verspürt man erst das volle Gewicht der Worte in Bezug auf Jesu: »Und er fastete vierzig Tage und vierzig Nächte.«
CARL ANDERS SKRIVER
    Achter Tag, 8. September
    88,0 KILOGRAMM
    Meine ersten Fastenerfahrungen machte ich als Student. Ich lebte in einem »student’s home« im englischen Wolverhampton. Auf meinem Flur wohnten auch drei muslimische Franzosen. Ramadan war damals im Dezember, die Tage waren kurz, die Nächte lang. Ein Glück für die drei in Algerien geborenen Jungs. Die paar hellen Stunden des britischen Tages verpennten sie. Sobald aber die Sonne langsam unterging, kauften sie körbeweise Lamm, Gemüse und Hirse und kochten, als müssten sie das ganze »student’s home« bewirten. Eine Minute nach Sonnenuntergang begann dann ein Gelage, wie ich es mir bis dahin nur bei meinen cheruskischen Vorfahren hätte vorstellen können. Jeder war willkommen. Es wurde gefressen, bis sich die Bäuche wölbten. Alle Nichtmoslems hatten Alkohol mitgebracht und freuten sich, wenn unsere französischen Gläubigen dreiblättrige Joints bauten und auch diese mit allen teilten. So ging es drei-, viermal die Woche. Da einer der Jungs sein Zimmer direkt neben meinem hatte, hörte ich, dass man während des »Fastens« auch gerne Geschlechtsverkehr haben darf.
    Nun sind die drei kein Maßstab. Aber mir zeigte es, dass Fasten so schlimm nicht sein kann.
    Ich habe mir einen Pfefferminztee aus echter Minze aus unserem Garten gemacht – der letzte trinkbare Tee mittlerweile –, sitze am Computer und habe einen ganzen Tag Nichtstun vor mir. Ich muss nirgendwo hin, nichts entspannt mehr als dieses Wissen.
    Auf einer Radtour über die Feldwege südlich von Kiel sprintet ein Hase auf mich zu, mit weit aufgerissenen Augen, Todesangst im Blick. Hinter ihm ein Trecker. Der Hase rast den Feldweg entlang, bis er mich sieht, stellt sich auf die Hinterläufe, dreht den Kopf panisch in alle Richtungen und kommt dann endlich auf die rettende Idee, einfach den Feldweg seitlich zu verlassen. Der Treckerfahrer hat mittlerweile gebremst und schaut dem Hasen nach. Dann treffen sich unsere Blicke, und wir lachen. Über den Hasen und uns.
    Großeinkauf bei Aldi mit Gabi. Es gibt so viele schöne Sachen zu essen, vor allem der Räucherlachs lacht mich an. Mein Körper schreit regelrecht danach. Ich gebe ihm nicht nach und vertröste ihn auf Mitte Oktober. Trösten war schon immer meine Stärke.
    Die Zeit schleicht dahin. Und ich stehe erst am Anfang. Noch fünf Wochen. Fastentage sind endlos und die Gedanken zäh. Gabi lässt mich in Ruhe, zur Arbeit kann ich gehen, wann ich will, und ich habe momentan überhaupt nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Aber ich habe es mir selbst ausgesucht zu fasten, in Schönhorst zu wohnen, auf diesem Teppich zu liegen und Tagebuch zu führen. Wenn ich

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