40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
sage meinen Dreh heute Nachmittag und den Schnitt morgen notgedrungen ab. Kranke gehören ins Bett. Nur weil ich da sowieso schon 70 Prozent meiner Zeit verbringe, brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich meine Bettlägerigkeit jetzt auf 100 Prozent steigere. Die Zellmauserung wird mich dafür blitzschnell wiederherstellen.
Ich surfe weiter im Internet, immer auf der Suche nach Kuriositäten zum Thema Ernährung: Es gibt Menschen, die sich nur von Licht ernähren. Sie heißen auf Englisch breatharians und nehmen angeblich noch nicht einmal Flüssigkeit zu sich. Wie soll das funktionieren? Aber es gibt Hunderte von Berichten von Menschen, die Lichtnahrung ausprobiert haben. Ich bestelle mir zwei Bücher über dieses Phänomen. Angeblich stehen diese Menschen auf einer höheren Bewusstseinsebene als wir Normalos. Oder kann das jeder?
Es funktioniert folgendermaßen: Man fastet eine Woche lang mit allem üblichen Drum und Dran. In der zweiten Woche verzichtet man außerdem auf Flüssigkeit. In der dritten darf man dann wieder trinken, wenn man es möchte.
Angeblich stellt der Körper dabei auf Lichtnahrung um. Das heißt, wir funktionieren dann wie eine Pflanze, wandeln Sonnenenergie in Körpermasse um. Feuchtigkeit absorbieren wir über die Luft. Und Lebensenergie nehmen wir – wie auch jetzt schon – über die Luft ein.
Es soll bereits mehrere Tausend Menschen auf der Welt geben, die von Lichtnahrung leben. Nur weil es außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegt, würde ich diese Möglichkeit nicht ausschließen. Ganz im Gegenteil. Ich würde es gern probieren.
Die Sache soll allerdings auch höchst gefährlich sein. Im Internet warnen mehrere Organisationen, dass immer wieder Menschen dabei ums Leben kommen.
Ja und? Sie haben doch niemanden gefährdet und keinem geschadet. Im Hinblick auf die Hinterbliebenen ist es natürlich schade.
Gabi pflegt mich. Sie hat mir gerade eine Stelle aus Kurt Tepperweins Jungbrunnen Entsäuerung vorgelesen. Durchs Fasten entsäuere der Körper, und es könne im Extremfall zu Herzinfarkt und Schlaganfall kommen. Auch Herr Tepperwein hat begriffen, wie die Medien funktionieren. Im Extremfall kann es übrigens auch dazu kommen, dass fastende Menschen den Schwarzmalern immer wieder ihre Texte um die Ohren hauen.
Ich pinkle schnell auf Lackmus: 6,8, alles im bläulichen Bereich. Sauer bin ich nicht. Nur maulig.
So ein Tag im Bett ist unendlich lang. Wollen wir wirklich ewig leben?
Fastenexperten raten zu einem Glas süßen Fruchtsafts, um akuten Schwächeanfällen vorzubeugen. Wie groß ist ein Glas?
Ober-Experte Dr. Ruediger Dahlke erklärt in seinem Großen Buch vom Fasten , dass die Umstellung von der »Ernährung von außen« auf die »innere Ernährung« ähnlich funktioniere wie das Umschalten von einem Fernsehsender zum nächsten. Beide Programme seien durch die Evolution im Menschen angelegt. Je klarer dieser Umschaltvorgang im Bewusstsein des Fastenden verankert ist, desto leichter würde er vonstattengehen.
Dahlke geht weiter davon aus, dass in unserem Körper ein »innerer Arzt« seine Praxis eingerichtet hat, der die Ablagerungen und »Knoten« in Körper und Seele zur richtigen Zeit und in der richtigen Reihenfolge löst.
Dahlke erhebt auch gerne den Zeigefinger und spöttelt über die Spaßgesellschaft. Für Menschen aus den 40er- und frühen 50er-Jahren galt Spaßhaben anscheinend als verwerflich. Um dennoch Freude in ihr streng reglementiertes deutsches Leben zu bringen, tun sich die Dahlkes dieser Welt gerne mit Wortspielen hervor: »Fasten führt zum Innehalten. Wer Inhalt erhalten will, muss innehalten. Nur über Inhalt ergibt sich innerer Halt und eine eigene innere Haltung« (Dr. Ruediger Dahlke, Das große Buch vom Fasten ).
Gabi regt sich auf: »So ein Geseiere!« Ich gebe ihr recht. »Komm, wir verkaufen das Buch im Internet.« Dieser Dahlke behauptet in einem anderen Buch, dass Menschen, die gerne Geräuchertes essen, konservativ sind. Führt Fasten zu Verwirrung und nicht zu Erleuchtung?
Siebter Tag, 7. September
Einen Fasten-Weltrekord hält der Königspinguin. Er ist in der Lage, bis zu sechs Monate ohne Futter zu verbringen, und das in der Kälte der Antarktis. Was soll also so schwer daran sein, ein paar Tage in einer gut beheizten Fastenklinik weniger zu futtern, als man das im Alltag gewohnt ist?
TITUS AMU, Der Sauberberg, Süddeutsche Zeitung vom 05.02.2008 3
Siebter Tag, 7. September
88,0 KILOGRAMM
Beim Fasten trennt
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