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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timm Kruse
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Nahrung aushalten mussten, um dann endlich ein Reh zu erlegen, werden sie nicht lange gefackelt haben, sondern sofort über das Tier hergefallen sein und sich den eingefallenen Bauch vollgeschlagen haben. Und sie werden es vertragen haben, sonst wäre die Menschheit wohl inzwischen ausgestorben. Der Steinzeitler wird kaum zu seinem Kumpel gesagt haben: Hör mal, wir haben jetzt aber wirklich schon lange nichts mehr gegessen, wir sollten erst ein paar Aufbautage machen und dann nächste Woche ein kleines Stückchen Reh probieren.
    Gleichwohl gibt es Geschichten von halb verhungerten Kriegsheimkehrern, die, endlich nach dem langen Heimweg zu Hause angekommen, zu schnell und zu viel gegessen haben und daran gestorben sind.
    Gabi ist wieder versöhnt. Sie ruft an, fragt liebevoll, ob alles okay sei. Wir erzählen uns von unserem Tag, schicken uns Küsse durchs Telefon und schlafen mit der Gewissheit ein, uns zu lieben.
    Von Luft und Liebe kann man nicht leben? Doch. Kurzfristig.

Siebzehnter Tag, 17. September
Die Säulenheiligen, die angeblich 40 Jahre lang nichts aßen, wollten nur 40 Jahre lang nicht kacken. Einfach nur überleben, das ist, was zählt, […] alles andere ist Eitelkeit und krankhafter Ehrgeiz.
HELMUT KRAUSSER, Substanz. Das Beste aus den Tagebüchern 6
    Siebzehnter Tag, 17. September
    83,3 KILOGRAMM
    Gestern las ich die Meldung »Model fastet sich zu Tode!«. Die brasilianische Schönheit Ana Carolina Reston ist im Alter von 21 Jahren an Herzversagen gestorben, nachdem sie über Monate unterernährt war. Was hat das denn mit Fasten zu tun? Sie »soll« auch Drogen genommen haben, »um den Hunger nicht zu spüren«.
    Da kommt bei mir gleich die Angst auf, dieses Buch könnte zum Ratgeber für Models werden. Liebe Heidi, liebe Models, wenn ihr dies lest, hört auf zu hungern!
    Der moderne Mann will keine knochigen Suppenhühner, sondern richtige Weiber. Aber egal, ihr lest wahrscheinlich sowieso andere Bücher.
    Mein jüngerer Bruder ist am Telefon. Auch er macht sich Sorgen. »Mensch, hör doch auf«, fleht er. Warum bloß? Ich faste doch nur. Mehr nicht. Und wenn die 40 Tage rum sind, werde ich wieder zunehmen, meinen Körper aufpäppeln und gesündere Sachen zu mir nehmen.
    Am Samstag ist schon Halbzeit. »Schon«, weil die Tage bisher insgesamt ziemlich unproblematisch waren. Ich fühle mich weiterhin wohl und habe nicht im Geringsten das Gefühl, dass das Fasten mir schadet. Im Gegenteil.
    Bin heute schwach geworden und habe mir idiotischerweise ein Glas »Topfit!« in dieser Kaffeelounge neben meiner Arbeitsstelle bestellt. Frisch gepresster Apfel-, Möhren- und Orangensaft. Viel zu viele Faserstoffe mit dabei. Jetzt knurrt der Magen und verlangt nach mehr. Ich wollte mich doch nur selbst für den Arbeitstag belohnen, meinem Unterbewusstsein dafür danken, dass es so gut durchgehalten hat. Na ja, nun muss ich eine Extra-Darmspülung einlegen. Strafe muss sein. Der Duschkopf ist bereits abgeschraubt.
    Heute ist der erste Tag, an dem ich bemerke, dass ich dünn geworden bin. Das bisschen Speck unterm Kinn ist mittlerweile auch weg, meine Beine sind noch spargeliger, und die Adern auf meinen Armen erscheinen blauer. Meine Jeans schlottert im Bund. Enger schnallen ist jetzt angesagt.
    Beim Surfen im Internet entdeckte ich eine Werbung: »Slim Line, verliere bis zu 16 Kilo in vier Wochen.« Das geht ja schneller als mit Fasten! Ein Wunder also.
    Abends Kinobesuch mit Gabi. Der neue Tarantino. Ich halte nur bis zur Hälfte des Films durch, dann muss ich raus. Gewalt, schnelle Schnitte, laute Musik, heftige Dialoge, Spannung bis zum Zerreißen. Diese Reize sind für einen Fastenden unerträglich. Der Film gehört mit zum Besten, was ich je gesehen habe. Und doch: Es geht nicht. Auch wenn ich mir immer wieder sage, dass ich bloß auf Lichtpunkte auf einer Leinwand starre und lediglich Schallwellen mein Ohr erreichen und in diesem Kino alles gut ist.
    Ich trinke eine Apfelschorle, es ist warm und gemütlich. Gabis Hand auf meinem Bein. Und doch geht es nicht. Mein Unterbewusstsein ist von diesen flimmernden Punkten auf weißem Grund so beeindruckt, dass es Beklemmungen bekommt.
    Ich bin hypersensibel, durchlässig wie ein Sieb, alle Schutzmauern sind weggefastet. Ich bin so empfindlich, dass mich sogar meine Kleidung auf der Haut stört.

Achtzehnter Tag, 9. September
In den protestantischen Gemeinschaften wird keine besondere Fastenzeit vorgeschrieben. Das ist eine höchst zweifelhafte Entwicklung. Jesus

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