41 - Unter heisser Sonne
Tochter“, antwortete er mit einem tiefen, mich anklagenden Seufzer.
„Und worin besteht die Krankheit?“
„Oh, Effendi, ich habe nicht geglaubt, daß Allah dich mit so großer Neugierde ausgerüstet hat!“
„Wenn du nicht sagen willst, was es ist, so kann der Kranken nicht geholfen werden. Sprechen wir also nicht davon.“
Ich wendete mich ab, als ob ich nichts mehr hören wolle, da fiel er schnell ein: „Halt, Effendi! Ich werde es dir doch sagen, denn diese Krankheit ist ein Schandmal ihrer Schönheit und ein großes Hindernis ihrer Verheiratung. Sie weint Tag und Nacht darüber, und ihr Vater und ihre Mutter grämen sich zu Tode.“
„Haben sie denn noch keinen Arzt gefragt?“
„Alle, alle! Ihr Vater war bei den berühmtesten Zauberern und Gelehrten; sie alle haben Mittel gegeben, welche viel Geld kosten, aber keines hat geholfen.“
„Also ein Schönheitsfehler. Wie heißt er?“
„Mein Mund sträubt sich dagegen, ihn zu nennen. Kannst du es nicht erraten?“
„An welcher Stelle des Körpers befindet er sich?“
„Vorn am Hals. O Mohammed, o Abubekr! Gerade vorn am Hals, wo er so leicht zu sehen ist! Könnte er nicht lieber auf dem Rücken sein? Warum hat es Allah so eingerichtet, daß die Krankheiten immer an der falschen Stelle sitzen!“
„Das hat er zum Besten der Kranken so gefügt. Wenn der Schönheitsfehler, den du meinst, auf dem Rücken säße, störte er weniger und würde nicht kuriert.“
„Du ahnst also, was es ist?“
„Ja; es ist ein Ghodda (Kropf, Struma).“
„Maschallah! Du hast es erraten. Ihr Ungläubigen seid doch kluge Menschen!“
„Wie groß ist er?“
„So groß wie meine Faust. Möge er in der tiefsten Hölle braten!“
„Und wie alt ist die Tochter?“
„Erst fünfzehn Jahre! Und einen Ghodda, so groß wie meine Faust! Denke dir mein Herzeleid!“
„Dein Herzeleid?“
„Nein, nein!“ rief er schnell. „Ich meine das Herzeleid meines Freundes, welches allerdings auch mir zu Herzen geht. Sag, o sag, Effendi, ob so ein entsetzlicher Ghodda zu kurieren ist!“
„Er ist zu heilen.“
„Und kennst du das Mittel?“
„Ja.“
„Wie heißt es? Teile es mir schnell mit!“
„Es gibt verschiedene Mittel, je nachdem die Krankheit verschieden ist. Es gibt nämlich drei Arten des Kropfes. Die beiden ersten Arten heilen die abendländischen Ärzte durch eine Arznei, welche Jod genannt wird; im Morgenland gibt man ein Mittel, welches aus Dura beda, gebranntem Sfunga und Fulful (Sorghum, gebrannter Schwamm und Pfeffer) zusammengesetzt ist.“
„Willst du meinem Freund dieses Mittel bereiten, wenn ich dich darum bitte, Effendi?“
„Nein.“
„Allah!“ rief er erstaunt. „Ich denke, du hast mich lieb! Und du schlägst mir diese Bitte ab!“
„Weil ich nicht leichtsinnig sein will. Ich muß wissen, von welcher Art der Ghodda ist, sonst könnte ich die Gesundheit der Patientin schwer verletzen.“
„Wie willst du das erfahren?“
„Ich muß den Ghodda sehen und untersuchen.“
„Ja dschasara, ia kystachla – o Kühnheit, o Verwegenheit! Du willst den Hals dieser Tochter betasten?“
„Ich muß es, wenn ich ihr helfen soll.“
„Weißt du nicht, daß kein Mann den Harem betreten darf? Am allerwenigsten ein Christ!“
„Das ist auch nicht notwendig. Dein Freund mag die Tochter hierherbringen.“
„Damit du deine Hand an ihren Ghodda legst?“
„Ja.“
„Das geht nicht; das ist ganz unmöglich! Wie könnte man das vor Mohammed und allen seinen Nachfolgern verantworten!“
„Ganz wie du denkst! Die Tochter mag also ihren Ghodda, das Hindernis ihres Glückes, behalten.“
Dabei blieb ich; er aber beruhigte sich nicht und fing immer wieder von dem Schönheitsfehler an, beharrte aber doch dabei, daß ein Christ unmöglich eine Mohammedanerin berühren dürfe. Da kam ich endlich auf einen vermittelnden Einfall: „Höre, Schahad, du befindest dich in einem großen Irrtum. Gehört denn der faustgroße Ghodda eigentlich zum Körper der Tochter deines Freundes?“
„Nein. Er ist sogar höchst überflüssig; er soll weg!“
„Wenn ich ihn berühre, berühre ich da den Körper, zu dem er nicht gehört?“
„Maschallah! Gottes Wunder! Das ist ja wahr! Und du glaubst, ihn heilen zu können?“
„Ja.“
„So werde ich vielleicht mit meinem Freund sprechen. Ich will es mir bis heut nacht überlegen. Ich gehe jetzt fort, augenblicklich fort. Leïltak sa 'ide – gute Nacht!“
Er sprang auf und eilte hinaus.
Mein Wirt
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