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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so kehrte er zurück; eine tiefverhüllte weibliche Gestalt folgte ihm.
    „Das ist sie, die Tochter meines Freundes“, sagte er. „Sie wird dir jetzt den Ghodda zeigen. Der Reiniger der Pfeifen aber mag sich umdrehen, denn sein Auge darf nicht auf die Stelle der Schönheitstrauer fallen.“
    Der Wirt kauerte sich so in die Ecke nieder, daß er uns seinen Rücken zukehrte. Die Frauengestalt bekam in der Gegend des Halses Bewegung; ihre Hände schoben die zwei Teile des Schleiers ein ganz, ganz klein wenig auseinander, und so entstand eine kleine Lücke, in welcher der unwillkommene Gegenstand der ‚Schönheitstrauer‘ erschien. O weh, es war kein Kröpfchen, sondern wirklich ein Kropf! Man konnte es der ‚Tochter des Freundes‘ nicht übelnehmen, daß sie ihn fortwünschte. Ich näherte meine Hand und untersuchte ihn so leise und schonend wie möglich. Wie freute ich mich, als ich fand, daß es weder ein Gefäß- noch ein gelatinöser Kropf, sondern eine Struma cystica war! Da konnte ich gleich helfen, denn hier handelte es sich nur um die Eröffnung und Entleerung der Anschwellung.
    Als der Bettler sah, daß ich mit der Untersuchung fertig war, sagte er: „Das ist rasch gegangen, Effendi. Glaubst du, daß du helfen kannst?“
    „Ja. Ich habe das Mittel sogar drin in meiner Stube und werde es holen, um die Stelle des Kummers damit zu bestreichen. Es wird ein klein wenig schmerzen, doch gar nicht sehr. Wenn die Tochter deines Freundes stillhält, wird ihr Hals bald dem des Schwanes gleichen.“
    „Sie wird stillhalten; ich verspreche es dir. Hat doch die Lieblingsfrau des Propheten auch nicht gezuckt, als ihr ein kranker Finger aufgeschnitten wurde.“
    Ich ging in meinen Wohnraum, um nicht sehen zu lassen, daß ich mein scharfes, spitzes Federmesser öffnete und in die rechte Hand versteckte; zurückkehrend, hielt ich die linke so, als ob die Salbe sich in ihrer Höhlung befände. Die Patientin mußte sich an die Wand lehnen; sie öffnete die Schleierlücke wieder; einige Augenblicke später gab es einen Schrei, hierauf einen zweiten, leisem; dann wendete ich mich zu dem Reiniger der Pfeifen: „Du kannst dich herumdrehen; es ist vorüber.“
    „Du bist fertig?“ fragte der Bettler. „Sie kann also gehen?“
    „Ja.“
    „Gibst du ihr die Salbe mit?“
    „Schau meine Hand! Es war keine Salbe, sondern mein Messer; ich habe den Ghodda geöffnet.“
    „Allah! Bist du ein Mörder?“
    „Ja, denn ich habe den Ghodda erstochen. Morgen abend wirst du wiederkommen und mir sagen, daß er verschwunden ist.“
    Er hatte Angst; ich beruhigte ihn und sagte ihm, wie der Hals behandelt werden müsse; er wußte nicht, ob er mich ob meiner Kühnheit loben oder schelten sollte, und hielt es für das beste, zunächst gar nichts zu sagen und sich mit der glücklich Operierten zu entfernen.
    Als er am folgenden Abend zu uns kam, strahlte sein Gesicht vor Freude; er reichte mir beide Hände und rief, noch ehe er sich setzte: „Effendi, er ist weg, ganz weg! Man sieht nur noch die Stelle, wo dein Messer eingedrungen ist. Trotzdem macht die Tochter meines Freundes jetzt noch immer Umschläge, damit der Trübsinn ihrer Jugend nicht zurückkehren möge. Du bist weiser und klüger als alle gelehrten Männer und Zauberer, die nichts wußten. Was soll mein Freund dir zahlen?“
    „Ich nehme nichts.“
    „So sagst du jetzt; aber du wirst gezwungen werden, zu nehmen, was die Dankbarkeit dir bietet; das schwöre ich dir bei meinem Haar und Bart!“ –
    Am nächsten Tag ging ich durch die Gasse, in der ich bei Ben Musa Effendi gewohnt hatte. Unser damaliger Nachbar, ein Silberarbeiter, saß unter der Tür seines offenen Ladens und rief mich zu sich, als er mich sah.
    „Emir“, sagte er, „vorgestern habe ich mit Ben Musa Effendi gesprochen.“
    „Ah! Wo?“ fragte ich, freudig überrascht.
    „Hier. Er kam zufälligerweise vorüber, und ich sagte ihm, daß du nach ihm und deinem Koffer suchst.“
    „Ich danke dir! Du erfreust mit dieser Nachricht meine Seele. Er hat dir natürlich gesagt, wo er jetzt wohnt?“
    „Nein. Er tat so geheimnisvoll. Er sagte, er sei jetzt gar nicht in Kairo gewesen; deinen Koffer aber habe er gut aufbewahrt. Er wollte deine Wohnung wissen, um ihn dir zu bringen oder zu schicken; aber ich wußte sie nicht. Da bat er mich, dich danach zu fragen und es ihm mitzuteilen, denn er werde wieder zu mir kommen.“
    Das war sonderbar; später aber erfuhr ich den Grund dieser Heimlichtuerei. Ich teilte dem

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