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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gott!“
    Sie wendete sich unter einer neuen Tränenflut von ihm ab; er aber zog sie an sich und küßte ihr die Tränen von den Wimpern.
    „Darf ich sprechen?“ fragte er.
    „Sprechen Sie“, antwortete sie. „Es wird mein Todesurteil sein.“
    „Nein. Ich würde Sie begnadigen, selbst wenn Sie schuldig wären, aber Sie sind unschuldig. Der einzige Vorwurf, der Sie treffen könnte, ist der, daß Sie mir nicht vertrauten. Nun es aber einmal geschehen ist, so soll das meiner Liebe keinen Eintrag tun. Sagen Sie mir, wollen Sie mein Weib, mein liebes Weibchen werden und mich in die Heimat begleiten?“
    „O wie gern, wie so gern, wenn es ginge! Aber es ist unmöglich; es ist unmöglich, denn Sie – wissen ganz gewiß noch nicht alles!“
    „Ich weiß alles. Um Ihnen das zu beweisen, gebe ich Ihnen hier als vor den Augen Gottes die heilige Versicherung, daß ich dieses arme, arme Kind als das meinige betrachten werde.“
    Sie antwortete nicht. Ein tiefer Seufzer erklang durch die Stille, dann lag sie besinnungslos in seinen Armen. Die auf sie mit aller Gewalt eindrängende Scham hatte zur Ohnmacht geführt. Er tat nichts, diesen Zustand zu heben; er hielt sie fest an sein Herz gedrückt und küßte sie immer und immer auf den Mund. Sie schlug die Augen auf, und nun, ja, nun schlang sie freiwillig die Arme um ihn.
    „Ist es denn wahr, ist es denn möglich?“ fragte sie mit bebender Stimme.
    „Ja. Ich liebe dich noch wie vorher.“
    „Und verstößt mich nicht?“
    „Nein.“
    „Und wirst mir niemals entgelten lassen, wofür ich doch nichts kann?“
    „Niemals.“
    „Und mein – mein – mein Kind nicht hassen um seines Vaters willen?“
    „Nein. Ich werde sein Vater sein; ich werde stets so sein, als ob du dieses unglückliche Haus niemals betreten hättest. Willst du unter diesen Bedingungen die Meine werden?“
    „Ja.“
    Dieses Ja erklang im lauten Jubel. Sie warf sich stürmisch an seine Brust, und wenn da noch ein stachelnder Gedanke bisher in seinem Herzen festgesessen hatte, so mußte er weichen vor der Fülle des Glückes, welches ihm hier aus den Augen und dem Angesicht der Geliebten entgegenleuchtete.
    „Wirst du auch sofort dieses Haus mit mir verlassen?“ fragte er.
    „Sofort!“
    „Und erlauben, die Angelegenheit mit dem Herzog in Ordnung zu bringen?“
    Während dieser stürmischen Unterredung fand eine zweite statt, welche allerdings nicht so glücklich endete. Zarba hatte, als sie von Sternau verlassen worden war, die Heimkehr des Haushofmeisters bemerkt und sich sofort zu ihm begeben. Er war seit der letzten Zeit gewöhnt, daß sie ihn erst dann aufsuchte, wenn die kranke Gouvernante eingeschlafen war; daher sagte er:
    „So früh heute? Schläft die Wilhelmi bereits?“
    „Nein, aber sie bedarf meiner nicht.“
    „So komm.“
    Er führte sie mit gleichgültiger Miene nach dem Schlafzimmer und sagte:
    „Hier, ruhe dich aus; ich habe unterdessen noch zu arbeiten.“
    Sie hielt ihn zurück.
    „Warte noch; ich habe mit dir zu sprechen.“
    „Was?“
    „Das wirst du sogleich hören. Komm, setze dich!“
    Sie zog ihn neben sich auf das Sofa nieder und legte den Arm mit verstellter Zärtlichkeit um ihn. Sie sah wohl, wie er leise von ihr fortzurücken suchte, aber sie tat, als ob sie es gar nicht bemerke.
    „Es betrifft nämlich die Gouvernante“, sagte sie.
    „Was geht die uns jetzt an!“ meinte er.
    „Sehr viel!“
    „Inwiefern?“
    „Weil sie jetzt wieder genügend hergestellt ist; sie bedarf also auch keiner Pflegerin mehr.“
    „Hm, das ist allerdings wahr“, meinte er mit gespannter Miene.
    „Sie wird nun den Unterricht wieder beginnen?“ fragte sie.
    „Ich weiß es nicht. Ich muß erst hören, was der Herzog beschlossen hat.“
    „Und ich?“
    „Es ist, wie du bereits sagtest: Du bist dann entbehrlich geworden.“
    „So werde ich wohl entlassen?“
    „Wahrscheinlich.“
    „Ist dies nicht zu umgehen? Du weißt ja, wie vorteilhaft es ist, daß ich hier im Palais wohne.“
    „Es wird sich wohl schwerlich ein Grund für dein ferneres Verbleiben finden lassen.“
    „So meinst du, daß wir es dann wieder tun wie früher?“
    „Wie?“
    „Daß ich durch das Fenster steige?“
    „Wir werden das erst sehen. Dieses Steigen durch die Fenster ist für uns beide gefährlich.“
    „Es war früher noch gefährlicher!“
    „Pah! Man ist ja zuweilen ein wenig unvorsichtig! Wenn du das Palais verlassen hast, werde ich dich besuchen.“
    „Wo?“
    „Bei den

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