5 Auch Geister können sich verlieben
du?«
»Der Kuss.« Er ließ meine Hand so plötzlich los, dass ich ins Straucheln geriet.
Aber das machte mir nichts. Und zwar weil ich langsam ahnte, dass sich hier ein kleines Wunder abspielte. Etwas Großartiges. Die Ahnung verdichtete sich noch, als Jesse sich mit einer Hand durch die Haare fuhr und ich sah, wie seine Hand dabei zitterte. Seine Finger – wieso bebten seine Finger so?
»Wie hätte ich da noch bleiben können?«, wiederholte er. »Pater Dominic hat recht. Du musst mit jemandem zusammen sein, den deine Familie und deine Freunde auch wirklich sehen können. Jemand, mit dem du zusammen alt werden kannst. Du brauchst jemand Lebendigen an deiner Seite.«
Auf einmal fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Die ganzen Wochen des peinlichen Schweigens
zwischen uns. Jesses Abwehrhaltung. Es war nicht so, dass er mich nicht liebte. Nein, daran lag es ganz und gar nicht.
Ich schüttelte den Kopf. In meinen Adern rauschte das Blut, das ich in den vergangenen Tagen für eingefroren gehalten hatte, auf einmal wieder wie heiße Glut. Hoffentlich irrte ich mich jetzt nicht schon wieder. Hoffentlich war dies kein Traum, aus dem ich bald aufwachen würde.
»Jesse«, sagte ich, vor Glück wie berauscht. »Das ist mir alles völlig egal. Der Kuss … Dieser Kuss war das Schönste, was ich jemals erlebt habe.«
Das war nur eine Feststellung, mehr nicht. Ich stellte etwas fest, wovon ich gedacht hatte, er wüsste es schon längst.
Aber anscheinend stellte es für ihn eine große Überraschung dar. Denn in der nächsten Sekunde riss er mich in seine Arme und küsste mich.
Und es war, als hätte jemand die Welt, die in den vergangenen Wochen aus den Fugen geraten war, auf einmal wieder zurechtgerückt. Ich lag in Jesses Armen, er küsste mich, und alles war gut. Mehr als gut. Es war perfekt. Er liebte mich nämlich.
Okay, vielleicht bedeutete das, dass er ausziehen musste. Und dann gab es da noch diese Geschichte mit Paul, von der ich immer noch nicht wusste, wie ich sie regeln sollte.
Aber das alles spielte jetzt überhaupt keine Rolle. Jesse liebte mich!
Und diesmal kam keiner dazwischen, um den Kuss zu unterbrechen.
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe März 2011
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
© 2003 der Originalausgabe by Meggin Cabot
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2001
unter dem Titel »The Mediator – Haunted«
bei HarperCollins Publishers, New York
© 2011 für die deutschsprachige Ausgabe bei cbj Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische
Agentur Thomas Schlück, 30287 Garbsen.
Übersetzung: Yvonne Hergane-Magholder
Lektorat: Janka Panskus
st · Herstellung: AnG
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
eISBN: 978-3-64103923-3
www.cbj-verlag.de
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