5 Tage im Sommer
Schauspieler verliebt hatte – das war Sarah zu viel der Unsicherheit gewesen. Will hatte einmal mitbekommen, dass sie ihn voller Abscheu einen Kellner genannt hatte. Bis heute strebte er nach ihrer Anerkennung, obwohl er wusste, dass sie ihr Urteil schon lange revidiert hatte. Er hatte sich als der Ehemann ihrer Tochter und Vater ihrer Enkelkinder bewährt, und sie waren zu einer Familie zusammengewachsen.
Will küsste Sarah auf die Stirn. »Ich werde mit Detective Snow sprechen. Und herausfinden, was geschehen ist. Wir finden sie, Sarah. Das verspreche ich.«
»Aber, Will, soll ich nicht …?«
»Nein, bleib hier. Emily kommt bestimmt gleich zur Tür hineinspaziert. Mach dich nicht verrückt.«
»Ich versuch zu schlafen.« Sarah küsste Will auf die Wange. »Hast du überhaupt was gegessen?«
»Das kann warten. Erzähl den Kindern nicht, dass ich hier war. Ich überlege mir, was wir ihnen sagen können.«
»Emily merkt es immer, wenn eines der Kinder Kummer hat«, sagte Sarah.
Will nickte. »Da hast du Recht.«
»Ich bin selbst auch Mutter, vergiss das nicht.«
ZWEITER TAG
KAPITEL 3
V on außen betrachtet, war es eine der hübschesten Polizeiwachen, die John Geary je gesehen hatte, besonders im pfirsichfarbenen Licht des Sonnenaufgangs. Ein Backsteingebäude mit dem für New England so typischen weißen Fachwerk. Davor ein großer Rasen, der es von der Route 151 abtrennte, die direkt in den Sommerhimmel zu führen schien. Geary ließ seinen Wagen auf dem Besucherparkplatz und ging den gepflasterten Weg zum Haupteingang hinauf. Er war erst zum zweiten Mal hier, um die Akten des Mashpee Police Department zu plündern, da konnte er den offiziellen Parkplatz hinter dem Gebäude noch nicht benutzen.
Der Empfang der Wache war so schlicht und kühl wie die Vorderfront hübsch. Geary waren die treuen hässlichen und viel benutzten Gebäude lieber. Am liebsten war ihm der Ausbildungscampus des FBI in Quantico, Virginia. Er hatte sein kleines Büro im Souterrain geschätzt. Dort hatte er all seine Bücher und die Akten, die er im Laufe von sechsundzwanzig Jahren angehäuft hatte, gesammelt. Schließlich war auch ein Computer dazugekommen, der ihn mit der ständig wachsenden Informationsbasis der Behavioral Science Unit (BSU), der Abteilung für Verhaltensforschung, verband. Er hatte als Mann mittleren Alters beim FBI angefangen, ausgebrannt vom Streifendienst in Bostons South Side, mit einem frischen Doktortitel in Psychologie in der Tasche. Die Gründung des BSU war seine Idee gewesen, er hatte Profiling zu einer Wissenschaft gemacht. Die besten Jahre seines Lebens hatte er in Quantico verbracht. Doch nun war er alt, im Ruhestand. Aber was hatte der schon zu bieten? Ohne Ruthie machten die freien Tage keinen Spaß.
Sein alter Freund Roger Bell hatte ihn auf die Idee gebracht ein Buch über Mörder zu schreiben, die nie gefasst worden waren. Dafür recherchierte er alte Fälle nach und analysierte sie. Die Arbeit würde seinen Geist beweglich halten und ihm eine Aufgabe geben. Bell hatte sich verpflichtet gefühlt, John zu helfen; schließlich hatte er die Gearys in diese Gegend gelockt, als John in den Ruhestand gegangen war. Einen Monat nachdem sie ihr neues Haus bezogen hatten, war Ruth an einem Herzschlag gestorben. Seither arbeitete John Geary von morgens bis abends an seinem Buch.
Geary nickte der Polizistin zu, die hinter der Glasscheibe an ihrem Empfangstisch saß. Ihre blaue Uniform war adrett und ordentlich, aber ihre Marke war verkehrt herum angesteckt. Das war wahrscheinlich der Grund, warum sie am Empfang gelandet war. Auf einem der braunen Kunstlederstühle saß zusammengekauert ein ungefähr vierzig Jahre alter Mann. Er wirkte nervös, und als er John sah, sprang er auf.
»Detective Snow?«
»Tut mir Leid, da haben Sie den Falschen erwischt.«
»Ich warte jetzt schon über eine Stunde. Er hat gesagt, er wäre hier.«
»Wissen Sie was«, sagte Geary. »Ich werde mal nachschauen, ob er an seinem Schreibtisch ist.«
»Vielen Dank. Sagen Sie ihm, dass Will Parker wartet. Sagen Sie ihm, dass ich schon …«
»Seit einer Stunde hier sitze. Kapiert.«
Will Parker trug blaue Jeans und ein weißes Hemd, in dem er geschlafen zu haben schien. Seinem zerfurchten Gesicht nach zu urteilen hatte er allerdings überhaupt nicht geschlafen. Obwohl sein braunes Haar extrem kurz war, wirkte es völlig zerzaust, außerdem hatte er sich seit mindestens vierundzwanzig Stunden nicht mehr rasiert. Geary fragte
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