50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
erfährst es, aber zunächst fort von hier.“
„Ohne sie mitzunehmen?“
„Ja, leider. Komm.“
In wenigen Minuten waren sie um die nächste Gartenecke verschwunden und in eiligstem Lauf endlich unter dem Bogen der Wasserleitung angelangt, wo sie, wie wir vorhin erzählt haben, von dem Derwisch erkannt wurden. Dann kam ihnen der Engländer nach, um sie zu ihrem Erstaunen hinter den Garten des Bardo zu führen. Als sie nun hörten, weshalb er dies tue, stimmten sie ihm vollständig bei, und kaum hatte der Lord, mit der Hand an der Gartenmauer des Bardo hinstreifend, das Messer entdeckt, so beschlossen alle drei, ehe sie noch im Bardo bei der Wache eine Anzeige machten, die Mauer zu übersteigen, um die zweifellos verbrecherischen Vorbereitungen des Derwisches im Garten einer genauen Prüfung zu unterwerfen.
Der Lord machte, wie er sich ausdrückte, auch jetzt die Leiter und warf beiden, als sie sich oben befanden, behend den Gürtel zu, den er trug. Er hielt sich an dem einen Ende desselben fest, sie zogen beide an dem andern, und so kam auch er hinauf. Dann sprangen sie hinunter in den Garten.
Nachdem sie sich durch kurzes Lauschen überzeugt hatten, daß sich niemand in der Nähe befinde, führte der Engländer sie nach der Stelle des Kiosks, in die der Derwisch das Loch gebohrt hatte, und begaben sich sodann in das Innere des Kiosks.
Bei dem Schein eines Zündholzes sahen sie sich in einem vollständig fensterlosen Raum. Es gab dort keine Öffnung als nur diejenige der Tür. In der einen Wand befand sich eine Nische, und vor derselben stand eine hölzerne Erhöhung auf der ein Kissen lag. Sonst war nichts vorhanden als der Teppich, der den ganzen Fußboden bedeckte.
„Das scheint kein Lusthaus zu sein, kein gewöhnliches Gartenhaus“, meinte der Lord.
„Nein“, antwortete Normann. „Das ist vielmehr ein Bethaus. Die Nische gibt die Kibla an, die Richtung nach Mekka, nach der jeder Betende das Gesicht zu wenden hat. Auf dieser Erhöhung scheint der Beter zu knien. Da nur eine einzige sich hier befindet, so möchte ich fast behaupten, daß dieses Bethaus auch nur von einem einzigen Menschen benutzt wird. Und der wäre natürlich –?“
„Der Bei“, antwortete Wallert.
„Ganz gewiß. Gegen ihn also würde der Anschlag gerichtet sein, wenn überhaupt ein solcher geplant wird. Sehen wir einmal, wie hier der Draht verläuft!“
Mit Hilfe immer neu angebrannter Zündhölzer fanden sie bald die Stelle, an der der Draht in das Innere trat, er führte unter dem Teppich nach der Erhöhung hin. Diese befand sich nur einen Viertelmeter über dem Boden und war, wie bereits erwähnt, mit einem Kissen belegt. Unter ihr endete die Drahtleitung, und zwar, wie sie vermutet hatten, in der Blechkapsel, die so lag, daß sie von keinem Menschen bemerkt werden konnte.
„Na, was sagen Sie nun?“ fragte der Lord.
„Ein Mordanschlag“, meinte Normann, „ganz sicher ein Mordanschlag, und zwar gegen den Bei gerichtet.“
„Gott sei Dank, daß ich den Halunken getroffen habe! Nun müssen wir unbedingt Anzeige machen.“
„Ja, und zwar sofort. Man kann nicht wissen, wann die Tat beabsichtigt ist. Wir dürfen nicht zu spät kommen.“
„Und bei wem machen wir die Meldung?“
„Das wird sich finden, nachdem wir uns vorher erkundigt haben, wer hier noch wach ist. Kommt! Wir gehen direkt nach dem Schloß, hier geradeaus, dorthin, wo wir ein brennendes Licht bemerken.“
Der Garten war sehr groß und prächtig, wie die drei Verbündeten trotz der Dunkelheit, die noch immer herrschte, bemerkten. Sie hatten eine ziemliche Weile zu gehen, ehe sie an der hinteren Front eines der zum Schloß gehörigen Gebäude anlangten. Die wenigen Fenster, die es da gab, waren ohne alle Ordnung verteilt, doch sahen sie bald, daß eines derselben erleuchtet war. Es lag zu ebener Erde und war durch eng aneinandergereihte Holzstäbe geschlossen, durch die man kaum in das Innere zu blicken vermochte.
Der Lord war der erste, der hineinschaute. Er fuhr erstaunt zurück:
„Alle Wetter! Wen sehe ich da!“ sagte er.
„Wen?“
„Gucken Sie nur hinein!“
Die beiden folgten seiner Aufforderung.
„Ah, Steinbach! Ist das möglich?“ fragte Wallert erstaunt.
„Das wird er uns schon erklären. Gut, daß er es ist. Wunderbar! Er spielte in Stambul eine bedeutende Rolle, und hier wohnt er bei dem Bei! Klopfen wir an!“
„Halt! Überlassen Sie das mir!“ bat der Lord.
Dann klopfte er an die Stäbe. Gleich darauf öffnete sich
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