50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
erkennen muß, daß wir uns nicht von ihm täuschen lassen, wird er denken, daß wir vorsichtig sind und uns auch für weiteres bereithalten werden.“
„Du hast recht“, sagte Hilal. „Wenn du also reiten willst, werde ich dich begleiten. Wir nehmen die beiden schnellsten Pferde.“
„Ein überflüssiger Ritt!“ bemerkte Normann.
„Gar nicht!“ antwortete Steinbach. „Ich möchte diesem Kerl zeigen, daß er doch nicht klug genug ist, uns zu täuschen, oder, anders ausgedrückt, daß wir nicht dumm genug sind, uns von ihm täuschen zu lassen. Laß also satteln, Hilal. Wir wollen den Spazierritt unternehmen.“
Der Genannte entfernte sich. Dann fuhr Steinbach fort:
„Ich habe nämlich auch noch einen zweiten Grund, dem Riesen zu zeigen, daß wir ihm auf die Finger sehen. Ich traue ihm nicht in Beziehung auf den Russen und auf Ibrahim Pascha.“
„Sie meinen, daß er mit ihnen konspiriere?“
„Oder bereits konspiriert hat. Diese Herren werden erkannt haben müssen, daß ihre Rolle hier ausgespielt ist, und sicherlich ahnen, was sie von mir zu erwarten haben. Es steht daher zu vermuten, daß sie auf den Gedanken gekommen sind, das Lager heimlich zu verlassen. Sie haben mit dem Riesen in dessen Zelt zusammengehockt und gesprochen. Wovon? Ohne Zweifel doch von dem so unerwarteten Ausgang des Kampfes, durch den ihre Absichten völlig durchkreuzt worden sind, von ihrem Zorn, ihrer Wut, und – ihrer Rache, und davon, daß es ihnen auch die größte Sicherheit verleihen würde, wenn es ihnen gelänge, mich unschädlich zu machen. Gehen Sie darum zu den Beni Suef, um diese zu einem Überfall unseres Lagers zu verleiten, und gelingt dieser Überfall, so haben sie sich nicht nur gerächt, sondern sind auch den Feind los, den sie am meisten zu fürchten haben – nämlich mich.“
„Hm! Ihre Folgerungen sind nicht unlogisch.“
„Nicht wahr? Ich halte es daher für sehr möglich, wenn nicht für wahrscheinlich, daß sie sich heute abend oder während der Nacht davonschleichen wollen und mit dem Riesen einen Punkt verabredet haben, an dem er sie erwarten soll.“
„So muß man sie bewachen!“
„Gewiß. Wollen Sie das übernehmen, Freund Normann, während ich mit Hilal abwesend bin?“
„Ja, gern.“
„Übrigens wird im Laufe des Abends noch eine wichtige Versammlung der Ältesten stattfinden, da der neue Scheik gewählt ist und daher darüber abgestimmt werden muß, wie sich der Stamm zu dem Vizekönig verhalten will. Die Entscheidung, die da gefällt wird, werden beide, der Pascha und der Graf, sicher noch abwarten; dann aber heißt es, ihr Zelt genau und unausgesetzt im Auge zu behalten.“
Jetzt rief Hilal von unten herauf, daß die Pferde bereit seien. Steinbach stieg sogleich zu ihm hinab, nachdem er sich noch für den Ritt bewaffnet hatte, und bald flogen die vortrefflichen Pferde und ihre Reiter mit der Schnelligkeit eines Eilzugs in die Wüste hinaus, nicht in nördlicher Richtung, wo nun der Riese am Horizonte verschwunden war, sondern nach Westen zu.
Dort war die Sonne mittlerweile hinabgesunken. Gerade als die beiden Reiter die Oase verließen, ertönten die Schläge des Muezzins und dann seine Worte:
„Auf, ihr Gläubigen, rüstet euch zum Gebet, denn die Sonne hat sich in das Sandmeer getaucht!“
Die letzten Strahlen flammten funkelnd über die weite Ebene herein, golden und voll, als ob man sie greifen und festhalten könne. Aber dieses Gold wurde schnell matter; es färbte sich orange, ging in ein helles, kupfernes Rot über, zuckte wie dünnflüssige Bronze über die Wüste, wich schnell und schneller zurück, wie eine riesige Ätherbrandung, die in das Lichtmeer der Unendlichkeit entweicht; sammelte sich dann an dem einen Punkt des Horizonts, unter dem der Sonnenball zur Ruhe gegangen war, und verlor sich endlich, nach und nach ersterbend, in einem fahlen Dämmerschein, der, zuweilen und immer langsamer noch von wenigen helleren Strahlen durchzuckt, endlich in das Dunkel des Abends überging und dem tiefen Blau wich, das von Osten her über den von hundert und tausend Sternen übersäten Himmel zog.
Den Riesen jetzt zu sehen, davon war natürlich keine Rede; dennoch wollten Steinbach und Hilal ihn treffen. Wie aber war das anzufangen? Der Weg, den er einschlug, war ja nur eine dünne Linie in der Endlosigkeit der Wüste! Aber wer sich bereits in jenen Strecken bewegt hat, der weiß sich zu helfen. Hilal zügelte nach einer Weile sein Pferd zu langsamerem Gange und
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