50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
entgegen.
„Ist er vorüber?“ fragte der Deutsche.
„Ja, ganz nahe an mir.“
„Ohne dich zu sehen?“
„Ein anderer hätte mich gesehen, aber sein Auge ist ja krank, und wenn das eine Auge leidet, so leidet das andere mit. Komm, ihm nach!“
Sie setzten ihre Pferde in Galopp. Die Tiere fegten in dem hohen Sand dahin, daß eine Wolke hinter ihnen emporflog. Bald erreichten sie den Ausgestoßenen. Er ritt in dem bekannten, ausgiebigen Kameltrott, der die Tiere nicht anstrengt, weil er ihnen natürlich ist, mit dem man aber trotzdem ungeheure Entfernungen zurücklegt.
„Wakkif, wakkif – halt, halt!“ rief Hilal.
Der Riese hörte den Ruf und hielt sein Pferd an.
„Wer ist da?“ fragte er, nach seinem Messer greifend, der einzigen Waffe, die er hatte mitnehmen dürfen.
„Wer bist denn du?“ antwortete Hilal, so tuend, als ob er es nicht wisse.
„Komm näher herbei, daß ich es dir sage!“
„Allah! Diese Stimme sollte ich kennen!“
„Ich die deinige auch!“
Jetzt waren die beiden an das vordere Kamel gekommen, das der Riese ritt.
„Falehd!“ rief Hilal, sich erstaunt stellend.
„Hilal! Der Knabe!“
„Wie kommst du hierher? Wir sahen doch, daß du nach Norden rittest.“
„Kann ich nicht da reiten, wo es mir beliebt?“
„Das kannst du. Aber du darfst nicht vergessen, daß du vogelfrei bist. Du sollst dich nicht in der Nähe des Lagers herumtreiben. Weißt du, daß ich das Recht habe, dich niederzuschießen?“
„Tue es, wenn es dir Ehre bringt, einen Wehrlosen und Verwundeten zu töten!“
„Bis heute hast du anders gesprochen. Ich werde dir das Leben schenken, aber mache, daß du fortkommst! Ein anderer wäre nicht so gnädig, wie wir beide es sind.“
„Wer ist dieser zweite Mann?“
„Dein sehr guter Freund Masr-Effendi.“
„Der Teufel mag ihn fressen! Was hat er hier in der Wüste zu suchen?“
„Dich“, antwortete Steinbach. „Ich wollte dir nur zeigen, daß ich dich überall zu finden weiß, wenn es mir beliebt, dich zu suchen. Reite jetzt weiter und grüße die tapferen Beni Suef von uns, zu denen du doch gehen willst!“
„Allah verdamme dich und euch alle!“ rief der Riese und schlug mit dem Stab, den jeder Kamelreiter bei sich führt, um sein Tier zu lenken, das Reitkamel zwischen die Ohren, daß es sich sofort in eiligen Lauf setzte, und die anderen liefen ebensoschnell, da sie ja an das erstere festgebunden waren.
Dann stieß er noch einige laute, kräftige Flüche aus und zog es darauf vor, zu schweigen.
Er sah sich, wenn auch nicht vollständig, aber doch soweit durchschaut, daß die Beni Sallah jetzt wußten, wohin er sich zu wenden beabsichtigte. Das ärgerte ihn gewaltig. Er befand sich seelisch in einem Zustand, der jeder Beschreibung spottete. Die Schande, besiegt und ausgestoßen worden zu sein, brannte wie Feuer in seinem Hirn. Er hatte nicht nur seine Ehre verloren, sondern auch seine Stellung, seine Habe. Er war ein Verfluchter, der seinem ärgsten Feind danken mußte, wenn dieser ihn nicht wie ein wildes Tier niederschoß. Alle negativen Gefühle, deren das menschliche Herz fähig ist, wühlten in seinem Inneren. Dazu kam der Schmerz, den ihm seine Verletzungen bereiteten. Die Nase war ihm dick angeschwollen, das Innere seines Mundes war ein einziges Geschwulst, das Auge schmerzte ihn ganz entsetzlich. Er hatte einen Wasserschlauch mit auf sein Reittier genommen, um sich Auge, Mund und Nase fortwährend zu kühlen. Er hätte sich am liebsten das Messer in das Herz gestoßen, doch hielt ihn der Gedanke, daß er sich ja rächen müsse, fürchterlich rächen, davon ab.
So ritt er weiter, vorsichtig in die Ferne lauschend, um ja nicht wieder eine solche Begegnung zu haben. Und doch sollte er nicht lange allein bleiben. Ganz plötzlich sah er einige dunkle Punkte vor sich in seinem Weg liegen, und noch ehe er sein Tier zu halten vermochte, begannen sie, sich zu bewegen.
Es waren abgestiegene Reiter, die jetzt in ihre Sättel sprangen und ihn umringten.
„Kimdir, kimdir!“ rief ihm der eine zu.
Dieses Wort heißt ‚Wer da‘, es ist türkisch, wird aber auch in den Ländern der arabischen Beduinen angewandt. Falehd glaubte natürlich, wieder Beni Sallah vor sich zu haben, trieb sein Tier also weiter und antwortete:
„Wer ich bin, geht euch nichts an! Laßt mich in Ruhe!“
Die Männer aber galoppierten mit derselben Schnelligkeit neben ihm her, und der vorige Sprecher sagte:
„Halte dein Tier an, sonst schieße ich dich
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