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50 Rituale für das Leben

Titel: 50 Rituale für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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12.00 Uhr lang. Nach der Mittagshore essen wir gemeinsam, aber schweigend zu Mittag. Da kann manches von den Konflikten oder allzu heftigen Emotionen zur
     Ruhe kommen. Für mich ist es ein wichtiges Ritual, mich nach dem Essen für eine halbe Stunde ins Bett zu legen und zu schlafen. Auch wenn ich nicht immer
     fest schlafe, so döse ich doch ein wenig weg. Und ich kann dabei all das loslassen und vergessen, was am Vormittag nicht so gut gelaufen ist. Ich beginne
     den Mittagsschlaf mit dem Jesusgebet. Dabei halte ich die Arme gekreuzt über die Brust. Ich umarme mich selber gleichsam wie ein Kind. Und in diese
     Haltung von Geborgenheit hinein spreche ich das Jesusgebet. In diesem Ritual verwandeln sich die Gefühle, die am Vormittag verletzt worden sind. Ich finde
     Abstand zur Arbeit. Und das tut mir gut.
5. HEILSAME UNTERBRECHUNGEN
    Es gibt während der Arbeit immer wieder kleine, heilsame Unterbrechungen. Ich gehe zu einem Kollegen, um etwas zu besprechen. Ich kann
     jetzt zielgerichtet und möglichst schnell durch den Gang gehen. Dann komme ich gehetzt an. Oder ich benütze den Gang, um mich selbst zu verlangsamen. Ich
     gehe langsam und habe das Gefühl: Die Zeit gehört mir. Ich genieße es, langsam zu gehen. Ich habe nichts anderes zu tun, als jetzt in diesem Augenblick
     einfach nur zu gehen.
    Es gibt viele andere Möglichkeiten einer solchen heilsamen Unterbrechung.
    Bevor ich in eine Sitzung gehe, halte ich kurz inne und versuche, mit mir selbst in Berührung zu kommen. Wenn ich in meiner Mitte bin, wird mich das
Gespräch nicht so leicht aus meiner Mitte herausreißen. Wenn ein Telefonanruf kommt, kann ich bewusst den Hörer in die Hand nehmen und mich auf diesen
Anrufer einlassen.
    Jeder hat seine eigenen kleinen Rituale während der Arbeit. Sie alle sind dazu da, mitten in der Arbeit aufzuatmen, sich selbst wieder zu spüren und
Gottes heilende und liebende Nähe mitten in der oft aufdringlichen Nähe von gehetzten Menschen wahrzunehmen.
    Wenn ich einmal beim Schreiben nicht mehr weiterkomme, unterbreche ich die Arbeit. Entweder gehe ich austreten. Dabei fallen mir oft neue Gedanken
ein. Oder aber ich lege mich für fünf Minuten auf das Bett. Ich denke nicht angestrengt nach, sondern lasse mich in Gottes Hand fallen. In dieser
entspannten Haltung kommt mir oft ein Einfall, wieich weiterschreiben könnte. Die heilsame Unterbrechung gibt mir Abstand zu dem
Blockiertsein, das ich gerade erlebt habe. Und auf einmal strömen neue Gedanken in mich ein. Dann stehe ich auf und habe wieder Lust,
weiterzuschreiben.
    Ich kenne Psychologen, die nach jedem Gespräch mit einem Klienten ein kleines Ritual machen. Sie öffnen das Fenster und stellen sich an das offene
Fenster, um die frische Luft einzuatmen und all das, was im therapeutischen Gespräch war, auszuatmen und loszulassen. Andere beten kurz für den
Klienten. Das entlastet sie vom Grübeln darüber, ob das Gespräch gut war und ob es dem anderen wirklich geholfen hat. Und sie segnen den nächsten
Klienten. So lassen sie das alte Gespräch los und stellen sich innerlich auf das neue ein. Sie gehen dann mit Gottes Segen in die Begegnung mit dem
nächsten Klienten. Das entlastet sie und öffnet sie zugleich für das Geheimnis des Menschen, der jetzt für diesen Augenblick der wichtigste ist.
    Im Gespräch mit Ärzten erfahre ich immer wieder, dass viele sehr darunter leiden, wenn das Wartezimmer voller Patienten ist und sie ohne Pause einen
     nach dem anderen behandeln müssen, damit die Wartezeiten nicht zu lang werden. So können sie zwischendurch gar nicht durchatmen oder
     «verschnaufen». Gerade wenn der Tag aus einer langen Reihe von Gesprächen und Behandlungen besteht, würden aber kleine, heilsame Unterbrechungen
     nottun. Für den einen Arzt ist es die Mittagspause, die er genießt. Für den anderen ist es das kurze, aber bewusste Aus- und Aufatmen nach jedem
     Gespräch. Im Atem kommt er wieder mit sich selbst in Berührung. So kann er den eben behandelten Patienten loslassen, und er stellt sich bewusst auf den
     nächsten ein, damit er für ihn ganz «da» sein kann.
6. RITUALE BEI DER ARBEIT: INNEHALTEN
    Es ist gut, wenn wir uns ganz auf die Arbeit einlassen. Für den hl. Benedikt ist es ein Kennzeichen echter Spiritualität, dass wir in der Arbeit unser Ego vergessen und uns hingeben an das, was wir tun. Aber es besteht immer auch die Gefahr, dass wir uns so in die Arbeit hineinverlieren, dass wir nicht mehr in Berührung sind mit uns selbst.

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