Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
es etwa ein Storch gemacht hätte, falls er verhindert gewesen wäre, mit beiden Füßen zugleich von Stufe zu Stufe zu springen.
    An der Tür blieb er stehen.
    „Sonderbar!“ murmelte er. „Kein Mensch ist da! Man muß doch durch die Fenster gesehen haben, daß ich heute in meinem besten Staat komm! Der Rock, zum Donnerwetter, ist geradezu direkt vom Schneider!“
    Es geschah nämlich dem frommen Mann zu seinem eigenen Leidwesen zuweilen, daß ihm mitten in der salbungsvollsten Rede ein Fluch entfuhr. War er allein, so nahm er es nicht so genau.
    Daß dieser Mann der nächste Nachbar von Peter Dobronitsch sei, das hieß hier nicht anderes, als daß er vielleicht zwölf Werst von ihm entfernt wohnte. Als Nachbar aber hatte er nach seiner Meinung ein für allemal das Recht, bereits an der Haustür auf das freundlichste bewillkommt zu werden. Daß dies heute nicht geschah, ärgerte ihn. Er schritt also mißmutig und gravitätisch in das Haus hinein, aber so langsam, als ob er für einen jeden Schritt einen Rubel zu bezahlen habe, und klopfte an die Tür des Wohnzimmers.
    Man antwortete nicht, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Mutter und Tochter schnell in die hintere Stube geeilt waren, um wegen dieses Besuchs ihren Anzügen noch irgendeine Kleinigkeit hinzuzufügen, während der Bauer von demselben gar nicht wußte und oben in seinem abgelegenen Giebelstübchen saß, um sein Geld in die Truhe zu zählen und dann fest zu verschließen. Die Mägde aber waren in der Küche und die Knechte bei den Herden auf der Weide.
    „Man antwortet nicht“, brummte der Besucher nun noch mißmutiger. „Ich will es zum zweiten Mal versuchen.“
    Er klopfte wieder, natürlich aber mit ganz demselben Mißerfolg.
    „Kreuzhimmeldonnerwetter!“ fluchte er da. „Was ist denn das für eine hochsträfliche Unachtsamkeit! Ein Mann wie ich ist natürlich einen ganz anderen Empfang gewöhnt! Ich werde das diesen Leuten deutlich erklären!“
    Zum dritten Mal klopfte er, und als auch da sich keine Stimme vernehmen ließ, die ihn zum Eintreten aufforderte, so sagte er höchst zornig zu sich selbst:
    „Nun, so lasse auch ich jede Rücksicht beiseite und gehe hinein!“
    Er öffnete und trat ein.
    „Ah! Kein Mensch ist da!“ brummte er. „Es ist höchst ungezogen, gar nicht zu merken, daß ich komme. Ich werde, wenn Mila meine Frau ist, ein strengeres Regiment einführen. Zucht und Ordnung, Aufmerksamkeit und Sorgfalt muß sein. Ich werde es ihr angewöhnen, jedem meiner Wünsche zu gehorchen. Was tue ich nun?“
    Er blickte sich noch einmal aufmerksam im Zimmer um. Dabei hörte er in der Nebenstube Geräusche.
    „Ah, da drinnen sind sie! Von dort gehen auch Fenster nach der Front des Hauses hinaus. Man muß mich also unbedingt gesehen haben. Ich werde diesen Leuten einen Verweis geben.“
    Er griff dabei in die Schoßtasche seines Rocks, zog eine riesige, aus Birkenrinde gefertigte Schnupfdose hervor, öffnete sie, roch lüstern hinein und fütterte dann seine Stichelnase mit einem Geräusch, das mit dem Zischen einer Lokomotive zu vergleichen war. Als die beiden Frauen das hörten, öffnete die Mutter die Tür und trat herein.
    „Ach, Sergius Propow!“ sagte sie. „Willkommen bei uns!“
    Dabei reichte sie ihm die Hand.
    Er steckte sehr langsam seine Dose ein, sog den Tabak schnaubend in das hinterste Heiligtum seiner Nase und verbeugte sich schweigend, ohne ihre Hand zu ergreifen.
    „Willkommen, Nachbarchen!“ wiederholte sie.
    Er verbeugte sich abermals ohne Antwort und ohne ihre Hand anzurühren.
    „Ich habe gar nicht gewußt, daß du da bist!“
    Die Frau zog während dieser Worte ihre ausgestreckte Hand zurück. Jetzt endlich ließ Propow seine Stimme hören:
    „Maria Petrowna Dobronitscha, erlaube, daß ich erst den Heiligen begrüße, ehe ich mit dir spreche. Du solltest wissen, daß ich das zu tun habe.“
    Sergius Propow näherte sich bei diesen Worten dem eingerahmten Bild des Hausheiligen, das in jeder griechisch-katholischen, also auch russischen Familie in der Ecke der Stube stand, machte drei sehr langsame und möglichst tiefe Knickse, bekreuzigte sich und nahm dann einige Tropfen geweihten Wassers, um dieselben sich mit den Fingerspitzen auf die Brust zu spritzen. Erst dann wandte er sich wieder zu der Frau.
    „Nun“, sagte diese freundlich. „Jetzt wirst du wohl Zeit haben, mir die Hand zu reichen?“
    Er schüttelte sehr streng den Kopf.
    „Du verdienst diese löbliche Auszeichnung nicht mehr von mir,

Weitere Kostenlose Bücher