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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fenster, wo er auf einen düsteren kleinen Hof blickte.
    „Was für ein Hof ist das?“ fragte er. „Den sah ich noch nicht.“
    „Es ist der Brunnenhof. Gerade unter ihm befindet sich die Brunnenstube.“
    „So liegen die beiden Gefängniszellen unten da links vor uns?“
    „Ja.“
    „Wie kommen wir hinab?“
    „Auf ebenso geheimnisvolle Weise, wie andere heraufkommen.“
    „Wie meinen Sie das?“ fragte der Pascha, dem diese Worte unverständlich waren. „Sie sprachen von Personen, die von unten heraufkamen?“
    „Ja, ich meinte die Leichen.“
    Der Pascha blieb stehen und starrte den Sprecher verwundert an.
    „Leichen?“ fragte er. „Was faseln Sie?“
    „Faseln? Ich? Davon ist keine Rede. Ich habe Sie nur auf eine Eigentümlichkeit dieses alten Gemäuers aufmerksam zu machen, die für mich nichts weniger als angenehm ist. Wer nämlich hier stirbt, pflegt wiederzukommen, und zwar am hellen, lichten Tag, und nicht täglich, sondern nur ein einziges Mal.“
    „Papperlapapp!“
    „Sie spotten? Sie sollten nur sehen, was ich gesehen habe!“
    „Das ist Sinnestäuschung gewesen.“
    „Nein. Ich habe die Abgeschiedenen mit meinen eigenen Händen angegriffen.“
    „Sie sind toll!“
    „Ich habe sogar mit ihnen gesprochen.“
    „So haben Sie wohl geträumt oder im Fieber gelegen?“
    „Nein, gewiß nicht.“
    „Streiten wir uns nicht über solche Narrheiten. Ich begreife gar nicht, wie Sie auf diese Dinge kommen.“
    „Weil wir uns jetzt vor den Zimmern befinden, in denen diese Erscheinungen aufzutauchen pflegen.“
    „Da vor uns?“
    Der Pascha deutete nach der Tür, vor der sie stehen geblieben waren.
    Bei diesen Worten öffnete der Schließer die Tür, und der Pascha trat ein, gefolgt von den beiden. Er tat aber nur zwei Schritte vorwärts; dann blieb er stehen, starr und steif, als ob er keiner Bewegung fähig sei. Dort am Tisch saßen der Agent und der Derwisch.
    Das Blut war bei dem unvermuteten Anblick der Männer, die er für tot gehalten hatte, aus dem Gesicht des Paschas gewichen; sein Blick war starr, seine Lippen zitterten.
    „Allah w' Allah!“ stieß er hervor. „Was sehe ich da?“
    „Geister!“ wiederholte er hinter sich die Stimme des Kastellans.
    „Geister!“ wiederholte er schaudernd.
    Da erhob sich der Agent von seinem Stuhl und fragte:
    „Ibrahim Pascha, kennst du mich?“
    Der Gefragte antwortete nicht. Der Derwisch stand auch auf und sagte:
    „Komm näher, Mörder! Die Vergeltung ist nahe!“
    Da schrie der Pascha laut auf.
    „O Allah, o Mohammed! Es gibt Geister, es gibt Gespenster der abgeschiedenen Seelen! Fort von hier, fort!“
    Schnell wandte er sich um und wollte hinaus; aber der Kastellan hatte die Tür abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt.
    „Den Schlüssel her, den Schlüssel! Schnell, schnell!“ rief der Pascha.
    „Bleib da!“ gebot der Derwisch. „Uns entkommst du nicht!“
    Dann schritt er langsam, gefolgt von dem Agenten, herbei. Der Pascha hatte sich ihnen wieder zugewandt. Seine Augen nahmen einen gläsernen Ausdruck an.
    Jetzt faßte der Derwisch seinen Arm und zischte ihm entgegen:
    „Mörder! Teufel! Heute fährst du zur Hölle!“
    Der Agent aber griff ihn beim anderen Arm und schrie ihn zornig an:
    „Schurke! Du sollst an unserer Stelle in den Brunnen hinab!“
    Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
    „In den Brunnen hinab?“ fragte der Pascha. „An eurer Stelle? Also seid ihr gar nicht unten gewesen?“
    „Ist uns nicht eingefallen!“ grinste ihn der Derwisch höhnisch an.
    Damit faßten die beiden Schurken den Pascha an. Er war noch so konsterniert, daß er sich von ihnen fortziehen und auf einen Stuhl niederdrücken ließ, ohne Widerstand zu leisten.
    „So!“ sagte der Derwisch. „Wenn du hier Geister sehen willst, so kann dein Wunsch sehr bald in Erfüllung gehen. Du wirst vielleicht noch heute einen sehen, nämlich deinen eigenen. Du wirst sterben und magst nachher hier spuken nach Belieben.“
    Da fuhr der Pascha von seinem Sitz auf.
    „Sterben, ich?“ schrie er. „Was fällt euch ein! Ihr wollt mich doch nicht etwa ermorden?“
    „Ganz gewiß wollen wir dich ein wenig ermorden.“
    „Versucht es einmal!“
    Bei diesen Worten griff der Pascha mit der Hand in die Tasche, um irgendeine Waffe hervorzuziehen. Da aber hielt ihm der Derwisch schnell seinen Revolver vor die Stirn und gebot:
    „Laß stecken, sonst schieße ich!“
    Nun zog der Pascha die leere Hand langsam aus der Tasche und stotterte:
    „Osman,

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