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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vollständig distinguiertes Aussehen. Seine scharfen Blicke überflogen die Anwesenden. Als er den Buckligen erblickte, huschte ein leises Lächeln über seine geistreichen Züge, und er schritt in der Haltung eines Mannes auf ihn zu, der sich gelangweilt fühlt und um jeden Preis eine Zerstreuung sucht, mag sie sich ihm nun bieten, auf welche Art es immer sei.
    Müller bemerkte diese Absicht und wendete sich noch weiter ab, soviel dies, ohne auffällig zu werden, geschehen konnte. Es half ihm nichts. Der Fremde schlenderte bis hart an ihn heran, blieb da stehen, warf einen beobachtenden Blick hinaus auf den dichten Nebel und sagte dann:
    „Ein unangenehmer Morgen! Dieser Nebel ist so dick und massig, daß es scheint, als könne man ihn in Bänder zerschneiden. Ich fürchte, wir werden auf unserer Fahrt ein tüchtiges Gewitter bekommen.“
    Müller wußte, daß ihn der Fremde sehr gut kenne, nicht nur ihn, sondern auch den Diener Fritz. Er sah seinen ganzen Plan in der allergrößten Gefahr, aber er mußte antworten. Er verstellte soviel wie möglich seine Stimme und sagte:
    „Das Gewitter ist uns sicher. Man wird nach unten gehen müssen.“
    Dabei drehte er sich um und machte Miene, seinen Worten sogleich die Tat folgen zu lassen. Der andere jedoch legte ihm die Hand auf den Arm und meinte:
    „Sie können noch warten, denn das Wetter hat sich noch lange nicht ausgebildet. Erlauben Sie mir, mich Ihnen vorzustellen! Ich nenne mich Bertrand und bin seit einiger Zeit Arzt in Thionville.“
    Jetzt war Müller gezwungen, sich voll nach dem Sprecher herumzuwenden. Er tat dies und sagte unter einer Verbeugung:
    „Ich heiße Andreas Müller und gehe als Erzieher nach Ortry.“
    „Andreas Müller, Doktor der Philosophie; ich weiß das.“
    „Ah!“ sagte Müller, beinahe erschrocken.
    „Ja. Ich bin Hausarzt des Herrn von Sainte-Marie, der sich gegenwärtig in Ortry befindet, und weiß, daß er Sie erwartet.“
    „Aber mein Herr, wie können Sie wissen, daß ich gerade der Erwartete bin.“
    „Sie nennen mir ja Ihren Namen, den ich von dem Herrn Baron gehört habe. Und übrigens“ – hier sank seine Stimme zu einem leiseren Ton herab – „hörte ich es auch von meinem Kräutersammler, welchen ich gestern abend in Trarbach engagiert habe.“
    Müller machte eine Bewegung, welche eine stumme Frage ausdrückte, und der Arzt, welcher dies bemerkte, fuhr fort:
    „Ich traf diesen Mann, dem ich sehr viel verdankte, ganz unerwartet. Ich muß Ihnen nämlich sagen, daß ich im letzten deutsch-österreichischen Krieg auf der Seite Österreichs als Arzt tätig war. Bei Gitschin passierte es mir, daß ich den Verbandplatz wechselte und dabei vor ein preußisches Ulangenregiment geriet, welches zur Attacke vorstürmte. Ich sah, daß ich nicht weichen konnte und zermalmt werden würde, besonders da mich in demselben Augenblick ein Granatsplitter gefährlich verwundete und zu Boden riß. Ich erhob unwillkürlich in flehender Stellung die Arme. Die Lanzenspitzen der Ulanen flogen wie ein brausender Wald daher und befanden sich kaum noch hundert Schritte von mir entfernt. Es war ein furchtbarer, aber militärisch schöner Anblick. Das heransausende Regiment bildete eine fest geschlossene, eisenstarrende Masse; man sah, es werde unwiderstehlich alles vor sich niederreißen. In seiner Front war nicht die geringste Lücke zu bemerken; ich war verloren und erwartete, im nächsten Augenblick die stampfenden Pferdehufe auf meinem Körper zu fühlen. Da bemerkte ein Offizier meine emporgestreckten Hände; er spornte sein Pferd zu doppelter Eile, in weiten, tigergleichen Sätzen kam er voraus- und herangesprengt, und in dem er an mir vorüberschoß, bog er sich zu mir herab, faßte mich mit starker Faust beim Arm, riß mich empor, warf mich vor sich über sein Pferd und nahm nun wieder Fühlung mit den Seien. Das geschah so exakt, so elegant und mit Entwicklung einer solchen ungeheuren Körperstärke, als habe er sich für diesen Fall besonders eingeübt. Mein zerschossenes Bein schmerzte mich, mein Kopf brannte. Ich sah rechts und links die fürchterlichen Lanzen hervorragen; ich hörte den Donner des Hufgestampfes; ich sah gerade vor uns das Aufblitzen der österreichischen Batterien; ich hörte das Brüllen der Kanonenschlünde, deren Kugeln fürchterliche Lücken in die Masse der Ulanen rissen; doch das Regiment schloß die Lücken augenblicklich wieder und warf sich auf die Infanterie, welche die Bedeckung der Batterien bildete;

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