55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
ein Mauser! Ich kenne das Gewehr nicht, aber ich hoffe, wenn nicht mit dem ersten, so doch mit dem zweiten Schusse die Schnur zu treffen.“
Die Männer blickten einander mit ungläubigem Lächeln an. Er aber lud und zielte. Der Schuß blitze auf, und der Ballon schwebte auf das Dach nieder. Die Schnur war zerrissen worden.
„Wahrhaftig, Sie schießen ebensogut, wie Sie reiten und turnen!“ rief der Alte. „Jetzt eine Fechtprobe. Ich bin überzeugt, daß ein Deutscher es auf diesem Gebiet mit keinem Franzosen aufnimmt. Hier, der Hausmeister weiß einen Degen zu führen. Er war Premier sergent (Wachtmeister) bei den Chasseurs d'Afrique. Ich stelle nämlich nur gediente Militärs bei mir an, was leider in Hinsicht auf Sie nicht der Fall ist. Wollen Sie einen Gang mit ihm wagen?“
„Wenn Sie befehlen, so gehorche ich, Herr Kapitän“, antwortete Müller.
„So legen Sie los!“
Bei diesen Worten spielte ein beinahe unheimliches Zucken um den Mund des Alten. Sein weißer Schnurrbart zog sich empor, und es zeigte sich jenes gefährliche Fletschen der Zähne, welches stets unheilverkündend war. Er wußte, daß der Hausmeister ein sehr guter Fechter sei, und bei seinem rücksichtslosen Charakter wäre es ihm nur ein Amüsement gewesen, dem Deutschen eine Quantität Blutes abzapfen zu sehen.
Der Hausmeister hatte zwei gerade, schwere Chasseursdegen in den Händen. Er reichte dem Lehrer einen hin und sagte lächelnd:
„Monsieur Müller, bestimmen Sie gefälligst, wo ich Sie treffen soll!“
Müller prüfte den Degen und antwortete:
„Diese Degen sind ja scharf und spitz. Wir befinden uns nicht im Feld. Wollen wir nicht stumpfe Waffen wählen und uns mit Haube und Bandagen versehen?“
„Ah, Sie fürchten sich?“ höhnte der Franzose.
„Allerdings habe ich Furcht“, antwortete ruhig der Deutsche.
„Und das gestehen Sie?“ fragte der Intendant mit verächtlichem Lächeln.
„Wie sie hören. Aber Sie scheinen mich falsch zu verstehen. Ich habe nämlich Furcht, Sie zu verletzen; für mich freilich hege ich nicht die Spur von Bangigkeit. Sie haben mir erklärt, daß Sie mein Vorgesetzter sind. Darf ich einen Vorgesetzten verwunden?“
„Warum nicht, wenn Sie es fertig bringen! Also sagen Sie mir getrost die Stelle, an welcher ich Sie treffen soll!“
„Das werde ich unterlassen, denn damit würde ich für mich natürlich das Recht beanspruchen, Sie an der gleichen Stelle zu treffen.“
„Dieses Recht erteile ich Ihnen. Also wo, Monsieur Müller?“
Der Gefragte zuckte die Achseln und sagte:
„Wenn denn einmal der Ort, an welchem man treffen soll, genannt werden muß, so treffen Sie diese Bestimmung lieber selbst. Ich bin hier fremd und muß vermeiden, mir Vorwürfe machen zu lassen.“
„Gut“, meinte der Intendant mit einem boshaften Blicke. „Diese Degen sind zwar besser für den Stoß, aber wollen wir sie uns nicht lieber einmal im Hiebfechten über die Gesichter ziehen?“
„Ganz wie Sie wollen, Monsieur“, meinte Müller. „Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, daß man dabei sehr leicht die Nase oder ein Auge verlieren, kann, wobei es außerdem noch jammerschade um Ihre seidene Weste sein würde.“
„Ah, Sie spotten! Sie meinen, daß ich es sein werde, der die Nase verliert. Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen. Herr Kapitän, billigen Sie unsere Vereinbarung?“
Über das Gesicht des Alten zuckte ein wilder, kampfbegieriger Zug. Er nickte und sagte:
„Ich gestatte sie unter der Bedingung, daß keinerlei Folgen auf mich fallen. Sie stehen beide in meinen Diensten. Wer von dem anderen dienstunfähig gemacht wird, hat keinen Sou Entschädigung von mir zu verlangen.“
„Gut! Beginnen wir also!“
Droben stand die Baronin am offenen Fenster. Sie hatte die Proben, welche Müller ablegen mußte, mit angesehen; sie hatte auch jedes Wort, welches gesprochen worden war, deutlich gehört. Eine andere hätte Widerspruch erhoben; sie aber freute sich auf den Kampf und legte sich weiter zum Fenster heraus, um besser zusehen zu können. Sie war ein Weib ohne Herz und Gemüt.
Der Intendant legte sich aus – die Klingen blitzten –, da stieß er einen lauten Schrei aus und fuhr zurück. Der Degen entsank ihm, und seine beiden Hände fuhren nach dem Gesicht, aus welchem ein breiter Blutstrahl niederfloß.
„Alle Teufel, welch ein Hieb!“ rief der Kapitän.
„Er hat es gewollt“, sagte Müller gleichmütig, „obgleich es mir leid tut, meinem Vorgesetzten zeigen zu müssen,
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