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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Abscheu erfüllten Blicken anstarrte. „Du bist der Teufel, der Satan; aber mein Meister bist du nicht! Mein Meister sitzt hier und hier!“ Er schlug sich bei diesen Worten auf die Brust und vor die Stirn. „Er zermalmt mir das Herz und zerreißt mir das Gehirn. Ich mag die Kasse nicht. Ich gebe die eine zurück, und die andere lasse ich liegen. Oh, mein armer Kopf, mein armes Herz! Wie das brennt, wie das quält! Nur ein Blick meiner Liama kann diese Schmerzen heilen. Wo ist sie? Ich will sie sehen, sehen, sehen!“
    „Schweig, sage ich nun zum letzten Mal!“ donnerte der Alte.
    „Ich schweige nicht!“ rief der Sohn. „Oh, Liama, meine süße Liama! Gebt sie hin, die Kasse; gebt sie hin!“
    Da fiel die Faust des Kapitäns auf ihn nieder, nicht einmal, sondern in vielen, ununterbrochenen Hieben und Schlägen. Aber der Kranke rief fort. Er wehrte sich nicht gegen die herzlose, grausame Züchtigung durch seinen eigenen Vater, aber er hielt auch nicht inne, nach seiner Liama und der Kasse zu rufen. Die Arme des Kapitäns ermüdeten; er wendete sich zu der Baronin, welche ohne das geringste Zeichen von Teilnahme Zeugin der Unmenschlichkeit gewesen war, und sagte:
    „Der Anfall ist heftiger als jeder andere zuvor. Es gelingt mir nicht, ihn einzuschüchtern. Versuchen wir das andere Mittel.“
    Während der Kranke immer weiter wimmerte, antwortete sie:
    „Das ist mir unangenehm, halten Sie es für ein Vergnügen, mich –“
    „Sie werden es tun!“ unterbrach er sie mit drohender Stimme. „Oder soll die Dienerschaft erfahren, wie es steht, und um was es sich handelt?“
    Sie zuckte die Achseln und fragte:
    „Und wenn ich es doch nicht tue, was dann?“
    „So haben Sie aufgehört, Baronin de Sainte-Marie zu sein!“
    Sie zuckte zusammen, wagte aber doch die Frage:
    „Ich möchte einmal wissen, wie Sie das anfangen wollen, Herr Schwiegerpapa?“
    „Ja, die Baronin will ich, die Baronin de Sainte-Marie!“ rief der Irre, dessen Geisteskraft nur dazu hingereicht hatte, diesen Namen aufzunehmen.
    „Schweig, Unvorsichtiger!“ rief der Alte, indem er abermals zuschlug. Und zu der Baronin gewendet, fuhr er fort: „Ich weiß sehr genau, wie ich es anzufangen habe; ich bin, bei Gott, der Mann dazu! Wie wollen Sie beweisen, daß Sie die Frau meines Sohnes sind?“
    „Ich habe Zeugen.“
    „Sie sind tot!“
    „So sind Sie deren Mörder. Die Listen der Mairie und des Kirchenbuches werden beweisen, was ich bin.“
    „Die Blätter sind verschwunden“, antwortete er höhnisch.
    „So sind Sie der Dieb! Übrigens brauche ich weder Zeugen noch Bücher. Ich würde alles verraten.“
    „Und für lebenslänglich in das Zuchthaus wandern“, lachte er mit teuflischem Grinsen. „Wer will meinen Sohn bestrafen? Er ist ein Wahnsinniger. Wer will mich anklagen. Ich war nicht dabei. Wollen Sie meinem Befehl gehorchen, oder sich und Ihren Sohn um die Baronie bringen? Ich frage zum letzten Mal.“
    Der Baron krümmte sich unter den Fäusten des Alten, der sich jetzt alle Mühe gab, ihm den Mund zuzuhalten.
    „Sie sind wahrhaftig ein Teufel!“ knirschte die Baronin, indem sie sich anschickte, zu gehen.
    „Und Sie sind eine Stallmagd, eine elende Bauerndirne. Gehorchen Sie sofort!“ rief er ihr mit funkelnden Augen nach.
    Sie kehrte mit vor Zorn hochgeröteten Wangen in das Wohnzimmer des Barons zurück und begab sich in das gegenüberliegende Gemach. Dieses war klein und zeigte nichts als eine Waschtoilette, einen Spiegel und einen Kleiderschrank. Die Baronin öffnete den letzteren und nahm das einzige Gewand heraus, welches er enthielt. Es war die Festkleidung eines Bauernmädchens aus dem Argonner Wald. Sie schien hier für ganz besondere Zwecke aufbewahrt zu werden, jedenfalls für denselben Zweck, dem sie jetzt dienen sollte.
    Während das Jammern und Wehklagen des Barons herüber drang, warf sie ihre gegenwärtige Kleidung ab, legte das andere Gewand an und ordnete ihr Haar in anderer Weise. Obgleich dies so schnell ging, daß sie nach kaum fünf Minuten fertig war, hatte sie doch eine außerordentliche Sorgfalt dabei entwickelt. Sie hatte sich die größte Mühe gegeben, alle ihre Reize hervorzuheben und in das beste Licht zu stellen. Sie stand jetzt da als üppig schönes Bauernmädchen, schön und verführerisch, daß sie imstande war, auch festere Grundsätze zuschanden zu machen als die des Schwachsinnigen. Sie betrachtete sich noch einige Augenblicke lang höchst wohlgefällig im Spiegel und flüsterte

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