58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
nicht?“
„O doch! Wir wollen denken, daß unsere Gedanken zueinander fliegen und sich unterwegs treffen.“
„Unsere Gedanken bloß?“
„Was noch?“
„Nicht auch unsere Liebe?“
Da legte Marie die Hände zusammen und flüsterte:
„Liebe! Liebe! Soll das wahr sein?“
„Ja, ja, und tausendmal ja! Marie, willst du mir glauben, daß ich dich liebhabe?“
„Sie mich? Der Maler, der Künstler, das arme, einfache Mädchen?“
„Ja, Marie! Ich habe dich lieb, recht herzlich, herzlich lieb. Und du? Willst du mir eine Antwort geben?“
Da blickte sie ihm ernsthaft in die Augen und antwortete:
„Nein.“
„Wie? Nicht? Du willst mir keine Antwort geben?“
„Geben nicht; aber nimm sie dir.“
Sie hielt ihm die Lippen entgegen, nach denen er sich vorhin vergebens gesehnt hatte.
„Donnerwetter!“ rief er. „Das lasse ich mir gefallen. Das ist freilich die allerbeste Antwort, die es nur geben kann. Komm her.“
Er zog sie an sich und küßte sie wohl volle fünf Minuten lang ohne Aufhören. Dann stieß er einen Jauchzer aus und rief:
„Das sollte er wissen. Sapperment!“
„Wer?“
„Der Haller.“
„Wer ist das?“
„Ein Kollege von mir, ein Maler. Er hat die berühmte Rutschpartie mitgemacht und wegen der Gouver –“
Er hielt erschrocken inne. Er stand ja im Begriff, seine Liebesabenteuer zu verraten.
„Gouver – – – weiter!“ bat sie.
„Gouvernante wollte ich sagen.“
„Eine Rutschpartie wegen einer Gouvernante? Wie war denn das?“
„Hm! Das war eigentlich sehr einfach.“
„Bitte, erzähle es doch.“
„Nun, es war einmal eine Gouvernante – – –“
„Ach, so fängt die Geschichte an. Das ist ja recht ungewöhnlich.“
„Sie endet aber desto gewöhnlicher.“
„Das wäre schade. Also weiter.“
„Es war also einmal eine Gouvernante, und es war auch einmal ein Maler. Diesen Maler traf ich im Tharandter Wald.“
„Wo ist das?“
„Bei Dresden. Man geht dorthin wegen der Pilze und der Brunnenkresse, die man dort massenhaft findet.“
„Die Maler gingen wegen der Brunnenkresse?“
„Ja.“
„Die Gouvernante natürlich auch?“
„Erraten.“
„Ah, jetzt kommt der Roman.“
„Ja, jetzt kommt er. Der Maler nämlich wollte die Gouvernante küssen; sie aber litt es nicht.“
„Der, welcher sie küssen wollte, das warst natürlich du.“
„Ist mir bei Gott nicht eingefallen!“ beteuerte er.
„Also doch der andere?“
„Ja, Haller wollte sie partout küssen.“
„Sie litt es nicht?“
„Nein. Sie wehrte sich vielmehr aus allen Kräften.“
„Und du sahst ruhig zu?“
Schneffke beantwortete die Frage nicht sogleich, sondern blickte ihr freundlich ins Auge.
„Nun?“ drängte sie, schelmisch lächelnd.
Endlich antwortete er mit ernster Miene:
„Gott bewahre. Ich weiß, was sich schickt und gehört. Man ist ja Künstler und Kavalier. Ich versuchte, sie in Güte auseinanderzubringen, vergebens; Haller hielt zu fest. Endlich zog und zerrte ich zu sehr. Das gab einen fürchterlichen Riß. Ich hatte die Gouvernante in den Händen; Haller aber flog und rutschte und kugelte den Berg hinab, zerriß sich die Hosen, stürzte in das Wasser, mußte halb ersaufen und ließ sich nicht wieder sehen.“
„Das ist die Rutschpartie?“
„Nein, das war sie.“
„Und du? Du hattest nun die Gouvernante?“
„Ja.“
„War sie hübsch?“
„Sehr!“
„Weiter! Weiter!“
„Sie bedankte sich bei mir. Sie sagte mir sogar, daß sie mir einen Kuß gegeben hätte, aber nur diesem Haller nicht. Sie bot mir sogar einen Kuß an.“
„O weh!“
„Ja, wirklich.“
„Was tatest du?“
„Ich schüttelte den Kopf.“
„Weiter nichts?“
„Was soll ich sonst noch schütteln, außer dem Kopf!“
„Ich meine, ob du sonst weiter nichts getan hast?“
„Nein. Ich war zunächst ganz perplex, so daß es mir unmöglich war, etwas zu sagen.“
„Dann aber kam dir doch die Sprache wieder.“
„Ja, aber erst nach ungefähr fünf Minuten.“
„Und was sagtest du da zu ihr?“
„Ich danke, Fräulein! Ich mag keinen Kuß, denn ich habe sehr gute Grundsätze! – ah, wer ist da?“
Draußen ließ sich Wagenrollen und lautes Peitschenknallen hören. Eine herrschaftliche Equipage mit noch drei Kutschen und einem Küchenwagen kam angefahren.
„Der Herr! Der gnädige Herr!“ rief Marie. „Ich muß hinaus!“
Im nächsten Augenblick stand Hieronymus allein im Zimmer.
„Das war aufgeschnitten!“ brummte er wohlgefällig vor
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