59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
Zimmer nur auf Minuten zu verlassen.
Die am ganzen Tag gehegte Besorgnis war gewichen. Man begann, sich freier zu unterhalten. Da trat der Diener ein und meldete Herrn Berteu.
„Berteu?“ fragte der Graf. „Welcher Berteu?“
„Der unserige, Exzellenz.“
„Der Sohn des toten Verwalters?“
„Ja.“
„Für ihn bin ich nicht zu sprechen.“
„Er behauptet, in einer höchst wichtigen Angelegenheit, die nicht aufgeschoben werden könne, zu kommen.“
„Und wenn sie für ihn noch so wichtig ist. Für mich kann nichts so wichtig sein, daß es mich veranlassen kann, einen solchen Menschen zu empfangen.“
Der Diener ging, kehrte aber sofort zurück.
„Verzeihung, Exzellenz! Er läßt sich wirklich nicht abweisen.“
„Wirf ihn hinaus!“
„Er sagt, daß – – – ah, da ist er!“
Der Diener zog sich durch die Tür zurück, durch welche Berteu eingetreten war. Er trug eine dunkle Bluse mit rotem Kragen und auf seinem Kopf ein Käppi mit goldener Tresse. Ein Säbel hing an seiner Seite.
„Ich höre, daß man mich nicht einlassen will“, sagte er in barschem Ton. „Wer hat diesen Befehl gegeben?“
„Ich“, sagte der General. „Gehen Sie.“
„Ich lasse mir einen solchen Befehl nicht – – –“
„Hinaus!“ rief der Graf, indem er sich erhob und nach dem Glockenzug griff.
Und als Berteu die Achsel zuckte, ohne zu gehorchen, schellte er, daß es im ganzen Schloß widerhallte. Die Diener kamen herbeigestürzt und Melac auch.
„Schafft augenblicklich diesen Menschen fort!“ befahl er.
Aber sein Befehl fand keinen Gehorsam.
„Nun?“ rief er drohend.
„Gnädiger Herr, es geht nicht“, sagte Melac.
„Was? Warum nicht?“ fragte der Graf zornig. „Seit wann gebe ich Befehle, welche nicht auszuführen sind?“
„Unten – – –“
„Nun, was ist unten?“
„Unten stehen seine Leute, über dreihundert Mann.“
„Was für Leute?“
Und als der Gefragte nicht sogleich antwortete, trat Berteu noch einen Schritt näher und sagte:
„Ja, das ist eine Überraschung. Wir kamen so leise, daß uns kein Mensch hörte. Jetzt aber wird man Ohren für uns haben müssen.“
„Was will dieser Mensch?“ fragte der General, sich abermals an Melac wendend. „Warum behält er die Mütze auf? Seit wann duldet ein Diener so ruhig, daß sein Herr beschimpft wird?“
„Von einer Beschimpfung ist keine Rede“, sagte Berteu. „Ich bin es, der hier Achtung zu verlangen hat. Ich erkläre, daß ich von jetzt an hier mein Hauptquartier aufzuschlagen gedenke, Herr von Latreau.“
„Hauptquartier? Verstehe ich recht?“
„Ja. Ich bin Kommandant eines ganzen Bataillons Franctireurs. Ich werde hier wohnen und verlange, daß meine Soldaten Pflege und Unterkommen finden.“
„Lächerlich!“
„Oho. Haben Sie nicht den Kanonendonner gehört? Unsere Armee ist in einer neun Stunden langen Schlacht abermals total aufs Haupt geschlagen worden. Die Truppen des Kronprinzen von Preußen sind in Chalons eingezogen. Zwei deutsche Armeen sind auf dem Marsch nach Paris. Thiers hat beantragt, den Kaiser abzusetzen. Man wird es genehmigen. Da haben Sie alles. Jetzt wird das Volk sich erheben. Der Arbeiter wird zu seinem Recht gelangen. Wir bilden Regimenter und Divisionen, unter deren Fußtritten die Erde erzittern wird. Wir werden den Erbfeind über die Grenze werfen, um ihn in seinem eigenen Land zu zermalmen. Dazu aber bedürfen wir wenigstens ebenso viel, wie die Heere gebraucht haben, welche nichts anderes konnten, als sich von den Deutschen schlagen zu lassen. Ich stehe hier als Kommandant meiner Truppen und verlange Quartier und Verpflegung.“
„Kein einziges Zimmer erhalten Sie!“
„Oho.“
„Und keinen Schluck Wasser. Ehrenhafte Soldaten muß und werde ich bei mir aufnehmen. Schurken aber jage ich fort.“
„Gut! Merken Sie sich, daß sie uns Schurken genannt haben! Was man uns nicht gibt, das werden wir uns nehmen. Übrigens verlange ich unbedingte Auslieferung zweier Frauenzimmer.“
„Welcher?“
„Einer gewissen Liama und einer gewissen Marion de Sainte-Marie.“
„Die befinden sich unter meinem Schutz.“
„Sie geben sie nicht heraus?“
„Nein.“
„Wir werden sie uns holen. Der Herr Kapitän Richemonte, unser Oberst, wird bald eintreffen. Ihm haben wir sie abzuliefern.“
„Er mag sie sich holen.“
„Ah! Tun Sie nicht so stolz, alter Mann! Wen haben Sie denn, der Ihnen helfen könnte? Zwei Diener und den Schließer. Die werden wir einfach mit dem
Weitere Kostenlose Bücher