59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
näher.
Als sie sich aber auch an dieser Tür zu schaffen machten, krachten drin vier oder fünf Schüsse. Das Holz war nicht stark. Die Kugeln drangen leicht durch, und mehrere wurden verwundet. Da zogen sie sich zurück, und einer rief voller Wut:
„Setzen wir den roten Hahn aufs Dach!“
„Unsinn!“ rief Berteu. „Das Schloß gehört uns. Wollen wir unser Eigentum vernichten? Sehen wir lieber, was es enthält. Wir werden vieles finden, was wir gebrauchen können!“
Diese Vorschlag rief ungeheuren Jubel hervor. Die Bande zerstreute sich augenblicklich in alle Räume des Schlosses.
In der Nähe der Turmzimmer wurde es ruhig. Darum kam es, daß die jetzigen Insassen desselben das Klirren mehrerer Steinchen gegen die Fenster vernahmen. Sie traten hinzu, um zu sehen, was das zu bedeuten habe, und erblickten eine männliche Gestalt.
„Herr Jesus!“ sagte Melac. „Monsieur Martin. Den habe ich ganz und gar vergessen!“
„Ist er es wirklich?“ fragte der General.
„Ja. Er trägt den Arm in der Binde.“
„So müssen wir erfahren, was er will.“
Latreau öffnete und fragte hinab:
„Monsieur Martin? Was wollen Sie?“
„Halten Sie aus. Ich bringe Hilfe.“
„Bis wann?“
„Das weiß ich nicht genau, ich bringe sie aber jedenfalls.“
Er hatte ohne Licht in seinem Zimmer gesessen, und da die Läden geschlossen worden waren, so hatte er von dem Nahen der Franctireurs nichts bemerkt. Erst als sie in das Schloß drangen, merkte er, woran er war. Da sie alle nach der großen Treppe drängten, konnte er seine Tür unbemerkt ein wenig öffnen. Er hörte, was sie sprachen; er vernahm, daß Liama und Marion an den alten Kapitän ausgeliefert werden sollten.
Das durfte nicht geschehen. Er öffnete Fenster und Laden und sprang heraus. Kein Mensch bemerkte das, denn alle befanden sich im Schloß. Er musterte die Fenster desselben und bemerkte an dem Lichtschein, daß sich die Überfallenen nach den Turmzimmern zurückzogen.
Er begab sich also nach der Giebelseite und warf einige aufgeraffte Steinchen an das Fenster. Nachdem er versprochen hatte, Hilfe zu holen, eilte er nach dem Wirtschaftsgebäude. An der Tür desselben stand ein Mann.
„Wer sind Sie?“ fragte Martin.
„Der Kutscher.“
„Lieben Sie denn Ihren Herrn?“
„Ach ja.“
„Sie gehören also wirklich nicht zu den Franctireurs?“
„Nein. Diese Spitzbuben haben vorhin zwei Pflugschare gestohlen.“
„Das ist das wenigste, was zu beklagen ist. Sie wünschen natürlich, daß Ihre Herrschaft gerettet werde?“
„Das versteht sich.“
„Nun, so geben Sie mir ein Pferd. Ich will Hilfe holen.“
„Wo?“
„Aus der Gegend von Metz. Wer hat den Stallschlüssel?“
„Ich! Wer sind Sie denn?“
„Ein guter Freund von Monsieur Melac.“
„Mit verbundenem Arm? Sie sind Soldat?“
„Das ist Nebensache. Geben Sie mir nur den Schlüssel. Es ist keine Zeit zu verlieren!“
Da richtete der andere seine Gestalt empor und sagte, höhnisch lachend:
„Sehr gescheit sind Sie nicht, mein Lieber!“
„Warum?“
„Daß Sie so hübsch aus der Schule schwatzen. Das fehlte noch, Hilfe holen. Sie sind mein Gefangener.“
„Donnerwetter!“
„Ja“, nickte der Mann, der eine riesige Figur besaß. „Der Schlüssel zum Stall ist da in meiner Tasche; aber der Kutscher liegt gebunden im Stall. Er wollte uns die Pflugschar nicht nehmen lassen.“
„So sind Sie Franctireur?“
„Ja. Ich arretiere Sie.“
Er langte neben sich an die Mauer, wo seine Büchse lehnte, und fügte drohend hinzu:
„Ergeben Sie sich gutwillig. Sonst muß ich Sie erschießen!“
„Sapperment. Mich erschießen lassen, das ist nun gerade meine Leidenschaft nicht.“
„Also! Lassen Sie sich einschließen?“
„Hier in den Stall?“
„Ja, das ist das Gefängnis!“
„So muß ich mich fügen. Erschießen lasse ich mich auf keinen Fall. Man lebt nur einmal.“
„Richtig. Kommen Sie!“
Er schob Martin vor sich her nach der Stalltür zu. Da zog er den Schlüssel heraus und steckte ihn in das Schloß. Er war dabei gezwungen, sich abzuwenden.
„Eigentlich brauchten Sie sich nicht hierher zu bemühen“, meinte Martin in höflichem Ton.
„Warum?“
„Ich kann mir selbst öffnen.“
„Oho. Das ist meine Sache. Ich werde doch nicht –“
Er sprach nicht weiter; er fiel wie ein Klotz zur Erde. Er hatte von Martin einen Hieb gegen die Schläfe empfangen, der ihm die Besinnung raubte.
„So, mein Bursche“, meinte der Deutsche. „Das war ein
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