59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
Gedanke deutet allerdings auf etwas hin, was nicht ganz unmöglich ist. Hat Ihre Ahnung vielleicht einen triftigen, nachweisbaren Grund?“
„Ja, freilich.“
„Welchen?“
„Ich kann nicht behaupten, daß dieser Grund stichhaltig sei: aber er ist doch geeignet, gewisse Vermutungen zu erregen. Ich sah nämlich vor einiger Zeit das Porträt einer Dame, welches eine frappante Ähnlichkeit mit den Demoiselles Nanon und Madelon hatte.“
„Jedenfalls der reine Zufall.“
„Oh, es war von Meisterhand.“
„War der Maler bezeichnet?“
„Nein. Das Porträt besaß weder Namen, Faksimile oder Zeichen des Künstlers.“
„Hm! Das war bei demjenigen, von welchem wir sprechen, auch der Fall. Können Sie sich auf die Einzelheiten des Porträts besinnen?“
„Sehr gut.“
„War die Dame dunkel?“
„Nein, blond, herrlich goldblond.“
„Was trug sie für ein Kleid?“
„Rosa Seide mit goldig schimmerndem Federbesatz. Die Seide war meisterhaft getroffen.“
„Mein Gott! So trug sich allerdings Amély, als sie dem Künstler zu Gemälde saß. Besinnen Sie sich vielleicht auf den Goldschmuck, den sie trug?“
„Goldschmuck gab es nicht.“
„Was sonst?“
„Das Porträt zeigte als einzigen Schmuck eine weiße Rose in der Hand und einen Kolibri im lockigen Haar.“
Da erfaßte der Baron den Dicken bei beiden Armen, zog ihn so, daß der Schein des Lichtes in sein rotglänzendes Gesicht fiel und rief:
„Mann, phantasieren Sie, oder ist's Wirklichkeit?“
„Wirklichkeit! Das ist so wahr wie Pudding.“
„Wann haben Sie dieses Gemälde gesehen?“
„Vor ganz kurzer Zeit, es ist kaum zehn Tage her.“
„In Malineau?“
„Nein.“
„Wo denn?“
„Hier in Berlin.“
„Unmöglich.“
„Hm! Kann man etwas Unmögliches sehen?“
„Herr Schneffke, Sie versetzen mich in Aufregung. Das Gemälde, welches Sie beschreiben, scheint dasjenige meiner Frau zu sein. Wie kann dies nach Berlin kommen?“
„Durch ihren Vater.“
„Ah. Haben Sie Veranlassung zu dieser Behauptung?“
„Ja.“
„Welche? Schnell, schnell.“
„Nun, ich habe mir einmal vorgenommen, die Ehre ihres lieben Kolibri zu retten, und so will ich es auch tun. Ihr Vater hat sehr schlecht an Ihnen und Ihrer Frau gehandelt.“
„Beweisen Sie es.“
„Er hat einfach die Erzählung von ihrer Untreue erfunden.“
„Beweise, Beweise!“
„Sie ist mit keinem anderen durchgegangen.“
„Dann hätte er gelogen?“
„Ja.“
„Sie hat auch ihr Porträt nicht mitgenommen.“
„Es war doch verschwunden!“
„Ihr Vater hat es versteckt.“
„Das wäre allerdings eine Schlechtigkeit, die ich ihm nie verzeihen könnte. Warum aber ist sie fortgegangen?“
„Er hat sie gezwungen.“
„Womit? Etwa durch Drohungen?“
„Vielleicht. Dann aber auch dadurch, daß er an ihr gutes Herz appellierte. Er hat ihr vorgestellt, daß sein Stammbaum durch die Mißheirat befleckt sei. Er hat ihr zu beweisen gesucht, daß sie durch diese Mesalliance und durch die von ihr eingegangene Mischehe Ihnen nicht nur einen unauslöschlichen Makel gebracht, sondern auch alle Ihre Ansprüche an das Leben, an die Zukunft vernichtet habe. Er hat ihr keine Ruhe gelassen; er hat auf sie eingewirkt auf alle mögliche Weise; er hat sie gequält, ihr wohl gefälschte Briefe, scheinbar von Ihrer Hand, gezeigt; er hat kein Mittel unversucht gelassen, sie zu überzeugen, daß sie Ihr Lebensglück vernichtet. Er hat nicht geruht und gerastet, bis sie im Widerstand ermüdete und er seinen Zweck erreicht sah.“
„Donnerwetter! Wenn dies wahr wäre!“
„Es ist wahr!“
„Haben Sie etwa sichere Unterlagen für diese Behauptung?“
„Ja.“
„Aber Sie hätte mir doch eine Nachricht hinterlassen sollen, ja hinterlassen müssen, eine Zeile, eine einzige Zeile!“
„Das hat sie auch getan.“
„Ich habe nichts erhalten.“
„Er hat ihren Brief unterschlagen.“
„Wissen Sie das?“
„Sehr genau!“
„Herrgott! Woher wissen Sie es?“
„Durch einen Zufall. Der Brief, welchen sie damals an Sie geschrieben hat, existiert noch.“
„Wo? Wo?“
„Hier in Berlin. Bei demselben Mann, welcher auch Ihr Bild noch besitzt.“
„So hat er beides, Bild und Brief von meinem Vater?“
„Hm! Jedenfalls.“
„Ach! Da kann ich bei ihm wohl auch eine Spur meines Vaters entdecken!“
„Das glaube ich gern.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Ein alter Sonderling, welcher keinen Menschen zu sich läßt. Ich bin der einzige, mit dem er verkehrt.
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