Das Alte Aegypten
Vorwort
Denkt man an Ägypten, denkt man an Pyramiden, Kleopatra und die prunkvollen Grabbeigaben Tutanchamuns. Doch diese jahrtausendealte Zivilisation, die längste, die es je gegeben hat, brachte noch viel mehr hervor: Streik und Monotheismus, den 365-Tage-Kalender, Empfängnisverhütung und einen ersten „Sueskanal“. Manche schreiben dieser Hochkultur am Nil auch die Erfindung der Schrift, von Brot und Bier zu. Nicht zuletzt das christliche Weihnachtsfest wurzelt in religiösen Vorstellungen der Ägypter. Von all dem ist heute nur wenig zu erahnen, wenn man das Land unvorbereitet besucht. Unser Wissen darüber beruht weniger auf dem, was dort noch aus pharaonischer Zeit an Ort und Stelle zu finden ist, sondern weit mehr auf der akribischen Besessenheit von Generationen von Ägyptologen, die in mühevoller Kleinarbeit Inschriften und Papyri entzifferten.
Wie lebten die Ägypter? Wie wohnten sie? Was aßen sie? Womit verdienten sie ihr Geld? Gab es überhaupt Geld? Was machten sie in ihrer Freizeit? Was bedeuteten Ehe und Familie für sie? Was glaubten sie kam nach dem Tod? Alles Fragen, die sich auf einer Ägypten-Reise nur beantworten lassen, wenn man mit einem gewissen Maß an Vorwissen und offenen Auges durch die Tempel und Gräber, Pyramidenbezirke und Museen wandelt. Dann werden Reliefs und Wandmalereien zu offenen Büchern, erzählen Statuen Geschichten und selbst die Hieroglyphen verlieren ihre Rätselhaftigkeit.
Aber auch ohne dieses Hintergrundwissen ist eine Reise zu den Pharaonen immer noch ein Erlebnis. Schon Griechen und Römer pilgerten in das Land am Nil, nicht nur, um zwei der sieben Weltwunder, die Pyramiden von Giza und den Leuchtturm Pharos in Alexandria zu bestaunen. Sie bereisten ein Land, das zu einer Zeit über eine hochstehende Kultur verfügte, als weder Athen noch Rom gegründet waren. Städte wie Theben und Memphis waren prächtige Metropolen noch bevor für die Menschen in Mitteleuropa die Eisenzeit anbrach. Es waren die Nachfahren dieser Menschen, die sich – meist friedlich bewaffnet mit Schippe und Pinsel – Jahrtausende danach daran machten, die Reste dieser frühen Kulturzentren vom Wüstensand zu befreien. Seither, seit dem Beginn des 19. Jahrhundert, gehören die Tempelstädte und Nekropolen Ägyptens zu den dankbarsten Objekten der Archäologen, noch immer warten Artefakte aus alter Zeit darauf der Vergessenheit entrissen und für die Ewigkeit gerettet zu werden. Für die Ewigkeit? Neben der Erosion bedrohen steigendes Grundwasser und Umweltverschmutzung die Monumente aus der Glanzzeit Ägyptens. Auch der Tourismus, wichtigste Einnahmequelle des Landes, trägt zu weiterem Verfall bei. Die verblassenden Malereien in den Gräbern der Pharaonen im Tal der Könige sind ein sichtbarer Beleg dafür. Trotzdem und trotz all der Ägyptischen Sammlungen in den großen Museen dieser Welt, nichts kann den persönlichen Eindruck an Ort und Stelle ersetzen, kein Medium die überwältigende Erhabenheit der Pyramiden, die monumentale Wucht der Säulenwälder des Tempels von Karnak oder die edle Größe des Heiligtums von Philae erfahrbar machen.
Zuletzt noch ein paar Bemerkungen zur Benutzung dieses Buchs: Die Schreibung der ägyptischen Eigennamen folgt der in Deutschland gängigen Praxis, die meist auf deren griechische Formen zurückgreift, also Amenophis statt Amenhotep oder Sesostris statt Senweseret. Die bei den Pharaonen genannten Daten sind, wenn nicht anders vermerkt, deren Regierungszeiten. Da alle vor der Zeitenwende herrschten, wurde fast immer auf den Zusatz „v. Chr.“ verzichtet.
Fluss des Lebens
Der Nil
„Geschenk des Nils“ nannte der griechische Geschichtsschreiber und Geograph Herodot, der um 450 v. Chr. Ägypten bereiste, das Land im Nordosten Afrikas. Tatsächlich bildete der längste Fluss des Kontinents die Lebensgrundlage für die Menschen, die dort lebten und ermöglichte erst die Entwicklung einer Hochkultur. Ohne ihn wäre hier nichts als Wüste.
Quellen des Reichtums
Über 6000 Kilometer bahnt sich der Strom seinen Weg aus dem Inneren des Schwarzen Kontinents bis zum Mittelmeer. Gespeist vor allem aus dem im äthiopischen Hochland entspringenden Blauen Nil, der sich in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Khartoum mit dem aus Ruanda kommenden Weißen Nil vereinigt, und dem Atbara, passiert er erst auf dem letzten Drittel seines Weges das von den Griechen „Ägypten“ genannte Land. Für dessen Bewohner war er schlicht „der Fluss“ und mit dem
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